zum Hauptinhalt

Politik: Paroubek ist neuer Premier in Tschechien

Vorgänger Gross nach Immobilienaffäre zurückgetreten / Koalition regiert mit hauchdünner Mehrheit

Mit dem Rücktritt von Ministerpräsident Stanislav Gross ist die wochenlange Regierungskrise in Tschechien am Montag beendet worden. Staatspräsident Vaclav Klaus nahm Gross’ Rücktrittsgesuch an. Damit ist nach tschechischem Recht auch die gesamte Prager Regierung ihrer Ämter entbunden. Neuer tschechischer Ministerpräsident ist nach einem Beschluss der stärksten Regierungsfraktion im Prager Abgeordnetenhaus, der Sozialdemokraten CSSD, der bisherige Wohnungsbauminister Jiri Paroubek. Klaus verkündete am Montagnachmittag Paroubeks Ernennung.

Nur kurz vor Gross’ Rücktritt hatten sich die Parteichefs der bisherigen Regierungskoalition – neben der CSSD sind das die Christdemokratische Volkspartei (KDU-CSL) und die rechtsliberale Freiheitsunion (US-DEU) – auf eine Fortsetzung ihrer Zusammenarbeit geeinigt. Paroubek wird sich samt seinem neuen Kabinett Mitte Mai einer Vertrauensabstimmung im Prager Parlament stellen und möchte dann bis zu den turnusmäßigen Wahlen im nächsten Frühjahr im Amt bleiben.

Durch diesen Kompromiss und durch Gross’ Rücktritt ist die Regierungskrise in Prag, die durch die dubiose Finanzierung einer Eigentumswohnung des Ministerpräsidenten ausgelöst worden war, vorerst ausgestanden. Gross, der seit Juli Ministerpräsident war, hatte bereits am 9. April seinen Rücktritt angekündigt und damit die Konsequenzen aus dem Skandal um die zwielichtige Finanzierung seiner Prager Luxuswohnung gezogen. Berichten tschechischer Medien zufolge hatte sich der 35-Jährige das Geld für den Wohnungskauf bei einem Onkel besorgt, der es wiederum von einem ihm kaum bekannten Journalisten geliehen bekam.

Paroubek ist der dritte Ministerpräsident Tschechiens binnen neun Monaten. Er stellte bereits am Montagnachmittag sein 18-köpfiges Kabinett vor. Die neue Regierung ist nur auf vier Posten neu besetzt, auf den Schlüsselpositionen gibt es jedoch keine Veränderungen. Die Regierung werde „pro-EU“ sein, hieß es.

Die hauchdünne Mehrheit der Koalition im tschechischen Parlament – sie verfügt über 101 der 200 Sitze – scheint gesichert, auch wenn sich CSSD, Christdemokraten und Liberale auf eine neue Form der Zusammenarbeit geeinigt haben: An die Stelle des bisherigen Koalitionspakts rückt nun eine lose Vereinbarung der drei Parteien, bei grundsätzlichen Fragen zusammenzuarbeiten. Dazu gehören die Budget- und Steuerpolitik ebenso wie die Außen- und Sicherheitspolitik Tschechiens. Auf eine engere Zusammenarbeit wollten sich aber vor allem die kleinen Koalitionsparteien nicht einlassen. Damit steht zu befürchten, dass die Prager Regierung auch in Zukunft häufiger wackeln wird. In aktuellen Umfragen befinden sich alle drei Prager Regierungsparteien seit geraumer Zeit im Sinkflug, vor allem die Rechtsliberalen der US-DEU müssen nach derzeitigem Stand um ihren Wiedereinzug ins Parlament zittern.

Doch auch die Sozialdemokraten sind seit zwei Jahren in den Umfragen immer weiter gesunken, und Gross, der 2004 als Ministerpräsident antrat, um frischen Wind in die Regierung zu bringen, konnte den Trend nicht ändern. Nach derzeitigem Stand würde die bürgerliche Oppositionspartei ODS von Präsident Vaclav Klaus Parlamentswahlen haushoch gewinnen. Die neue Vereinbarung soll daher vor allem garantieren, dass die Regierung weiter arbeitsfähig bleibt und nicht in vorgezogene Wahlen taumelt, die alle drei Parteien fürchten. Gleichzeitig sollen vor allem den kleinen Parteien genügend Möglichkeiten geboten werden, stärker eigenes Profil zu zeigen, um im Jahr 2006 nicht aus dem Parlament zu kippen.

Markus Huber[Prag]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false