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Politik: Partei aus Protest

Die „Wahlalternative Arbeit“ trifft sich zur ersten Bundeskonferenz – und lässt sich Mut machen

Von Matthias Meisner

Es ist ein bunter Haufen – doch einig sind sich alle im Ziel, mit einer neuen Partei „sozialem Kahlschlag“ im Land Einhalt zu gebieten. Die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit hat bei ihrer ersten Bundeskonferenz die Weichen dafür gestellt. Noch in diesem Jahr soll eine Urabstimmung unter den knapp 6000 Mitgliedern stattfinden. Am Ergebnis zweifelte am Samstag in Nürnberg keiner. Der Zeitplan ist so gewählt, dass auch die Teilnahme an der Landtagswahl im Mai in Nordrhein-Westfalen noch möglich ist – und wohl ebenfalls beschlossen wird. „Vorgegründet“ werden soll die Partei im Januar, der offizielle Gründungsparteitag soll Ende April oder Anfang Mai in NRW stattfinden. Ein Redner sagte unter Beifall, die Wahlalternative würde sich der „unterlassenen Hilfeleistung schuldig“ machen, wenn sie nicht an den Wahlen zum Düsseldorfer Landtag teilnehmen sollte.

Die Enttäuschten und Entrechteten redeten sich einen ganzen Tag lang in Hochstimmung. Von einer „historischen Chance“ sprach ein Vorstandsmitglied aus Hamburg mit Blick auf 2006. Ein Leipziger Delegierter sprach von dem Plan, im Namen der Wahlalternative erstmals vor 100 000 Demonstranten in der Heldenstadt sprechen zu wollen. „Einig mit den Opfern der Globalisierung weltweit“ fühlte sich ein bayerischer Gewerkschafter, der eben von einer Reise in die chinesische Wirtschaftsmetropole Kanton heimgekehrt war. Sorgen, mit dem Abflauen der Proteste gegen Hartz IV könnten auch die Chancen für eine neue Linkspartei gesunken sein, ließ niemand gelten. Es sei ein „absoluter Fehlschluss“, deshalb zu glauben, die Wut über die Arbeitsmarktreformen sei geringer geworden, sagte Klaus Ernst, IG-Metall-Chef in Schweinfurt. Er ist einer der Vorsitzenden des Vereins – wegen seines Engagements für das Parteienprojekt hat ihm die SPD das Mitgliedsbuch abgenommen. Jetzt schimpft er, dass seine ehemalige Partei „zu einem Kanzlerwahlverein verkommen“ sei.

Schon am Mittag zu Beginn des Kongresses war ein einstiger Zweifler als Mutmacher und Mobilisierer aufgetreten: Detlef Hensche, langjähriger Vorsitzender der Industriegewerkschaft Medien. Noch vor einem halben Jahr hatte er erklärt, Verdruss und Enttäuschung über Rot-Grün würden „noch keine ausreichende Plattform für den Aufbruch“ liefern. Eine Kraft, die bloß Ventil für potenzielle Protestwähler sei, werde bei der Bundestagswahl 2006 „schwerlich reüssieren“. In Nürnberg hörte sich das ganz anders an. Hensche ist Gründungsmitglied der Wahlalternative geworden und arbeitet in der Programmkommission mit. Er forderte die 250 Delegierten auf, sich gegen den „Mythos einer scheinbaren Alternativlosigkeit“ zu stellen. „Dieses Land braucht Alternativen!“ Stehende Ovationen gab es am Ende der Rede für den Gewerkschafter. Hensche wiederum zollte Respekt für den „Mut“, es als David „gegen den Goliath einer heimlichen Allparteienkoalition aufzunehmen“. Und fügte hinzu: „Wenn der demokratische Lümmel sich widersetzt, dann macht mir das große Hoffnung.“ Die Solidarität Hensches passte nicht so recht zur offiziellen Haltung der Gewerkschaftsspitzen, die klar auf Distanz zur Wahlalternative gegangen sind.

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