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Parteienforscher über FDP-Chef: "Westerwelle schadet mehr, als dass er hilft"

Parteienforscher Oskar Niedermayer sieht für die FDP nur eine Chance: Den Rückzug von Parteichef Westerwelle, der in den Umfragen so schlecht dasteht wie vor ihm noch kein Außenminister und FDP-Vorsitzender.

Herr Niedermayer, die FDP diskutiert eifrig über Ihren Vorsitzenden. Wie schnell müssen die Liberalen Guido Westerwelle denn loswerden?

Guido Westerwelle ist sicher nicht das einzige Problem der FDP, aber er ist eines ihrer Probleme. Und es wäre sinnvoll, wenn er von sich aus den Weg für einen Neuanfang frei machen würde und bald ankündigte, nicht mehr für den Parteivorsitz zu kandidieren.

Warum?
Es ist im Moment die einzige Chance für die FDP, aus dieser schwierigen Lage herauszukommen. Denn die Liberalen dringen nicht mehr mit politischen Themen durch. Die Umfragen sind stabil schlecht, und die Menschen flüchten vor den Verlierern. Deshalb hilft den Wahlkämpfern in Baden-Württemberg und Rheinland- Pfalz nur ein Befreiungsschlag.

Und wenn er nicht von allein verzichtet, droht ihm dann eine Palastrevolution?
Nein, da gibt es keine Anzeichen. Denn dafür ist seine Rolle in der Partei noch zu stark. Er wird versuchen, das für die Liberalen traditionelle Dreikönigstreffen am 6. Januar zu überstehen. Dann wäre ein Momentum verstrichen. Wenn die Landtagswahlen doch nicht so verheerend ausfallen, wie es derzeit den Anschein macht, gäbe es wahrscheinlich niemanden mehr, der es wagen würde, ihn herauszufordern.

Also warum soll er unter diesen Umständen seinen Rückzug ankündigen?

Es wäre ein Dienst an der Partei. Und nur wenn er das begreift, wird er auch freiwillig gehen. Denn es ist nicht von der Hand zu weisen, dass seine Beliebtheitswerte seit Monaten ganz tief im Keller sind. So schlecht stand in den Umfragen noch kein Außenminister und FDP-Vorsitzender da. Damit schadet er der Partei mehr, als dass er ihr hilft. Und diese Entwicklung ist ein Selbstläufer, was ohne eine echte Kehrtwende nicht zu stoppen ist. Und sollten die Landtagswahlen im März doch verheerend für die FDP werden, weil sie nämlich gegen das Duell CDU gegen Grüne in Baden-Württemberg sowie SPD gegen CDU in Rheinland-Pfalz kaum ankommen wird, wird es für Westerwelle noch schlimmer werden, da man ihm die Schuld für die Niederlagen zuweisen wird.

Wer sollte ihm nachfolgen?
Eine Tandemlösung mit Rainer Brüderle und Christian Lindner wäre vielleicht das Beste. Der Wirtschaftsminister müsste den Interimsvorsitzenden geben, der die ältere süddeutsche Traditionsklientel der FDP bedient. Und der Generalsekretär stünde für die neue FDP. In diesem Zusammenspiel könnte Brüderle den Generationenwechsel organisieren, und Lindner müsste klar als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl 2013 ausgerufen werden.

Könnte Guido Westerwelle bei einem solchen Szenario noch Außenminister bleiben?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass er beide Ämter abgibt. Dafür ist er zu sehr Vollblutpolitiker. Außerdem wäre der Verzicht auf das Außenamt auch ein Eingeständnis, gescheitert zu sein. Die bloße Ankündigung, nicht mehr als Parteivorsitzender zu kandidieren, wäre das in dem Maße nicht. Es wäre ja noch nicht mal ein Rücktritt. Aber klar ist auch, dass er ohne den Parteivorsitz deutlich geschwächt wäre. Denn im Koalitionsausschuss hat er als Parteichef Einfluss, nicht als Außenminister.

Wie kommt es eigentlich, dass Westerwelle so schlechte Persönlichkeitswerte hat? War er es nicht, der die Partei 2009 zu einem sensationellen Wahlerfolg von 14,5 Prozent geführt hat?
Er hatte zwar als sehr guter Wahlkämpfer einen Anteil am Wahlerfolg. Dass die FDP aber so stark wurde, lag auch an abtrünnigen wirtschaftsliberalen, CDU-nahen Wählern. Sie sahen den Markenkern der CDU durch die Verstaatlichung von Banken und einer möglichen Opel-Rettung angegriffen und wollten mit ihren Stimmen für die FDP der CDU einen Denkzettel verpassen – ohne allzu großen Schaden anzurichten.

Seine schlechten Persönlichkeitswerte erklärt das aber nicht.
Die sind auch schwer zu erklären, denn wir wissen nicht genau, warum er bei den Wählern nie sonderlich beliebt war. Er hatte ja auch versucht, eine Imagekorrektur zu vollziehen: weg vom aggressiven Oppositionspolitiker hin zum seriösen Außenpolitiker. Aber seine Ausflüge in die Innenpolitik wie zum Beispiel seine Einlassungen zur „spätrömischen Dekadenz“ haben dies wieder zunichtegemacht.

Oskar Niedermayer ist Parteienforscher an der Freien Universität Berlin. Mit ihm sprach Christian Tretbar.

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