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Politik: Peinliche Fragen

Die Karlsruher Richter im NPD-Verbotsverfahren wollen Auskunft über V-Leute unter den Parteifunktionären – und bekommen vor allem Zahlen zu hören

Von Frank Jansen, Karlsruhe.

Sie kommen mit Kisten voller Aktenordner, auf denen das NPD-Logo prangt. Parteifunktionäre und kurzgeschorene Jünglinge tragen reichlich Material in den Flachbau des Bundesverfassungsgerichts. Einer schleppt nichts, dafür weht sein schwarzer Mantel durch die Eingangshalle: Horst Mahler schreitet an der Seite von Parteichef Udo Voigt durch den Pulk der Journalisten. Beinahe trifft Mahler, der ehemalige RAF-Terrorist, auf seinen ehemaligen Verteidiger, den heutigen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD). Doch beide Männer meiden sich.

Im Gerichtssaal nehmen Mahler und Schily in der ersten Reihe Platz, getrennt durch den breiten Gang mit dem Stehpult. Links vor dem Podium des Zweiten Senats sitzen die NPD-Leute, rechts Schily und die Innenminister von Bayern und Niedersachsen, Günther Beckstein (CSU) und Heiner Bartling (SPD), die Prozessbevollmächtigten von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat sowie die Chefs mehrerer Verfassungsschutzbehörden. Die zurzeit sieben Richter des Zweiten Senats erscheinen, der Erörterungstermin zu den V-Mann-Problemen im NPD-Verbotsverfahren beginnt. Kommt jetzt das Enthüllungsspektakel, das Experten Horst Mahler zutrauen?

Der Eklat bleibt aus. Mahler kann keinen neuen, prominenten V-Mann präsentieren. Dennoch machen die Richter deutlich, dass dieser unübliche Termin keine Vorentscheidung für ein Verbot der NPD darstellt. Nach einer langen, quälenden Diskussion „haben wir den Stier bei den Hörnern gepackt“, sagt Winfried Hassemer, Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts. Die Richter wollen sich Klarheit verschaffen, ob das von ihnen im Januar unterbrochene Verbotsverfahren fortgeführt werden kann. Oder ob die damals bekannt gewordene V-Mann-Tätigkeit des NPD-Spitzenfunktionärs Wolfgang Frenz – und die dann folgenden Fälle – „im äußersten Fall“ bedeuten könnten, die NPD sei in ihrer „grundlegenden Willensbildung fremdgesteuert“, wie Richter Udo Di Fabio fragt. Di Fabio deutet an, wie heikel das V-Mann-Thema dem Gericht weiter erscheint. Die Beobachtung einer Organisation durch eine Behörde „bedeutet immer auch Einflussnahme“, sagt der Richter. Der Prozessbevollmächtigte des Bundestages, Wolfgang Löwer, tritt in seiner Stellungnahme am Stehpult dem Begriff „Fremdsteuerung“ vehement entgegen: Wer dies behaupte, „muss sagen können, wo der Pinsel ausgerutscht ist“. Dies könne die NPD nicht. Sie habe keine einzige Parole von Wolfgang Frenz missbilligt. Die Partei sei „mit ihrem äußeren Erscheinungsbild völlig einverstanden“ und stolz darauf, in den Berichten des Verfassungsschutzes genannt zu werden.

Dann ist Mahler an der Reihe. Mahler bleibt Mahler: Er konstruiert eine Verschwörungstheorie, mit Alt-Kanzler Helmut Schmidt im Mittelpunkt. „Das Konzept geht auf: Was im Mittelalter der Teufel war, sind jetzt Adolf Hitler und seine Anhänger.“

Die Richter äußern sich dazu nicht. Sie wollen das V-Mann-Thema endlich konkret zu fassen bekommen. Der Senat fragt nach den „15 Prozent“. Die Anwälte der drei Verfassungsorgane hatten behauptet, der Anteil der V-Leute an den Vorstandsmitgliedern der NPD habe nicht über dieser Marke gelegen. Otto Schily beschwört die Richter in einer kurzen Stellungnahme, einen „Denkschritt“ zu überlegen. Wie sähe das Erscheinungsbild der NPD aus, „wenn wir uns alle Personen wegdenken, die als Informanten gewirkt haben?“ Gegenfrage von Richter Jentsch: Was genau müsse man sich denn wegdenken? Gelächter im Saal. Schilys Antwort: „Die 15 Prozent“.

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