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Politik: Perfekt im Hintergrund

Sie gibt nur ungern Interviews."Höchstens wenn ich es mit einem Zweck verbinden kann", sagt sie und lächelt dabei dieses Lächeln, das gleichermaßen freundlich wie distanziert wirkt.

Sie gibt nur ungern Interviews."Höchstens wenn ich es mit einem Zweck verbinden kann", sagt sie und lächelt dabei dieses Lächeln, das gleichermaßen freundlich wie distanziert wirkt.Christina Rau ist viel gefragt worden in diesen Tagen vor dem Wahlgang in Berlin, aber sie hat meistens "Nein" gesagt.Dabei hätte sie eigentlich eine Menge beizutragen.Sie hat Politologie studiert und nicht selten hat ihr Mann sie in den zurückliegenden Jahren zu Rate gezogen.Vor laufenden Kameras würde sie freilich nur zugeben, daß sie ihm hin und wieder ihre Meinung gesagt hat, niemals würde sie öffentlich ausbreiten, welchen Hinweis sie ihrem Johannes mit auf den Weg gegeben hat.

Nur in einem Fall macht sie eine Ausnahme: Als die Zeitungen kürzlich wenig freundlich über Johannes Rau geschrieben haben und man den Eindruck gewinnen mußte, daß ihr Mann aus der Kandidatur gemobbt werden sollte, da hat sie ihm Mut gemacht."Jetzt erst recht", hat sie ihm zugerufen und sogar zugelassen, daß dieser Satz seine öffentliche Wirkung nicht verfehlte.

"Auch in Zukunft werde ich ungefragt meine Meinung sagen", wurde sie kürzlich zitiert.Sie lächelt, als sie es liest."Kann nicht von mir sein", wehrt sie nur kurz ab, "ich bin kein Macher, ich wirke im Hintergrund." Und dann erzählt sie, was sie macht, wenn sie ihren Mann nicht gerade nach Berlin begleitet, wo er zum Bundespräsidenten gewählt wurde.Sie fährt morgens die drei Kinder zur Schule in Wuppertal und wird das demnächst auch in Berlin tun.In Wuppertal hatten die Raus sich eine Schule in unmittelbarer Nachbarschaft ausgesucht, mit extrem hohem Ausländeranteil.Weil dort, wie anderswo in Nordrhein-Westfalen auch, Lehrermangel herrscht, beteiligte Frau Rau sich an der Hausaufgabenbetreuung: "So doll sind die Schulen ja nicht ausgestattet." Nachmittags zieht die 42jährige Mutter gelegentlich mit ihren Kindern auf Rollerskates los, sehr zum Entsetzen des Vaters, der sportlichen Betätigungen in seinem Leben stets aus dem Wege gegangen ist.Als Johannes kurz nach Hochzeit seine Flugangst überwand und der Pilot der kleinen Maschine die Höhe mit 2000 Meter angab, sagte sie nur trocken: "Da springe ich sonst ab." Johannes hörte das, seine Gesichtsfarbe wechselte und fortan ließ sie den Fallschirm zu Hause.

Kennengelernt hatten sich die beiden beim 70.Geburtstag von Gustav Heinemann in der Villa Hammerschmidt.Die Enkelin Christina war damals zwölf, Johannes Rau 37.Anschließend schickte der immer mal wieder Grüße aus seinem Urlaubort Elmau, und Christina wunderte sich darüber, wie man stets an den gleichen Ort fahren kann.Beim 50.Geburtstag von Johannes Rau im Wuppertaler Engelshaus erwachte plötzlich die Liebe zwischen ihnen, im Jahr darauf wurde geheiratet.Sie arbeitete gerade in London an ihrer Promotion, über "Die Deutsche Frage aus britischer Sicht".Ohne zu zögern gab sie das Thema zurück und wechselte ins Mutterfach nach Wuppertal.Ihre Eltern, das Fabrikantenehepaar Delius aus Bielefeld, hatten sie mit 14 Jahren ins schottische Elite-Internat Gordonstoun geschickt, dort hatte sie - zusammen mit Prinz Andrew - vieles von dem gelernt, was man Kindern beibringt, die sich auf internationalem Parkett selbstsicher bewegen sollen: "Ja, die Welt stand uns offen." Mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie über Gordonstoun und ihren Master of Arts - Thema "Zivile Verteidigung und nukleares Gleichgewicht" - spricht sie über ihre Kinder und deren kleine und große Wünsche.

Natürlich wird sie sich nicht öffentlich einmischen in die Belange des Präsidenten, und mehr als einmal hat man das Gefühl, das dies eigentlich schade ist.

JÜRGEN ZURHEIDE

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