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Politik: Peter Struck sieht die Chance für eine radikale Steuerreform - und wird zur Mäßigung aufgerufen (Meinung)

Raffinesse oder Wirrwarr, Überrumpelung oder langfristige Strategie - die öffentliche Diskussion über Steuersätze in den letzten Tage zu verfolgen, war gar nicht so langweilig. Aber erschreckend.

Raffinesse oder Wirrwarr, Überrumpelung oder langfristige Strategie - die öffentliche Diskussion über Steuersätze in den letzten Tage zu verfolgen, war gar nicht so langweilig. Aber erschreckend. Der Eindruck bleibt: Sätze ohne Wert, Form über Inhalt, Spielerei statt Plackerei. Obendrein täglich neue Spekulationen: wer mit wem was vereinbart hat und wohin das noch führt. Dass alles im Moment in die Irre führt - das hat gerade der Kanzler klargemacht. Wenigstens eine Klärung. Sehr, sehr spät kam die. Aber vielleicht gerade noch rechtzeitig.

Schauen wir auf den Verursacher, auf Peter Struck, den SPD-Fraktionsvorsitzenden. Das ist ein verantwortungsvolles Amt. Struck führt die größte Regierungsfraktion, hat großen Einfluss auf das Regierungshandeln. Sollte man meinen. Aber Struck hat Signale ausgesandt, die vom Wesentlichen ablenken: Deutschland muss gesund gespart werden. Anders: Deutschland muss neue Spielräume für Regierungshandeln gewinnen. 15, 25, 35 Prozent als Steuersätze, darüber müsse gesprochen werden, sagt Struck, der dann aber erstaunt darüber ist, dass er Lob von der Deutschen Bank, der FDP, der Industrie, kurz: von allen jenen bekommt, die der SPD sonst eher skeptisch gegenüberstehen.

Man sollte annehmen dürfen, dass Struck hier die Methode Schröder ausprobiert, oder sie sogar nach Absprache umsetzt. Denn der SPD-Fraktionschef hat sich zu profilieren versucht, indem er sich von den eigenen Leuten absetzt. Das ist eher ungewöhnlich auf seinem Posten, weil der nicht zuletzt auf Integration angelegt ist. Undenkbar ist es aber nicht; nicht, seitdem Schröder als Ministerpräsident damit Erfolg hatte.

Aushalten kann Struck, dass Parteifreunde ihn kritisieren. Andere loben ihn ja. So könnte er kalkuliert haben: Dass der Kanzler es ihm schon noch als positiv anrechnen wird, wie er die sich anbahnende Steuererhöhungsdebatte in eine um Steuersenkungen umgewandelt hat. Hat das Kanzleramt nicht anfangs auch positiv reagiert, wenngleich zurückhaltend? Und ist die Opposition, sind Union und FDP, gleich beide, nicht auch ziemlich flott auf die SPD zugegangen?

Der Mut zur Raffinesse aber endete plump; wenn es denn einer war. Das ist die wichtigste Erkenntnis aus der Steuerdiskussion: Es geht nicht um ein Spiel. Spielereien passen nicht in diese Zeit, auch nicht im Sommer. Diese Bundesregierung, die von Anfang an mit dem Ruf des Unsoliden zu kämpfen hat, die immer mal wieder neu anfängt, neue Chancen sucht und eine neue Ernsthaftigkeit für sich reklamiert - die hat sich vorgenommen, den Etat zu straffen wie keine Regierung vorher. Was für ein Werk zum Ausgang dieses Jahrhunderts. Jedenfalls ein ernstes: Mit dem Sparen ist nicht zu spaßen. Vor diesem Hintergrund wirkt es, gelinde gesagt befremdend, über Steuersätze zu spekulieren, die jetzt nicht ernsthaft durchgesetzt werden können. Wer es dennoch versucht, schafft Wirrwarr.

Jetzt nicht - 2001, das ist das Jahr, in dem über andere Steuersätze gesprochen werden kann. Dann, wenn das Wesentliche getan ist. Hier muss längerfristig gedacht, hier muss nachgedacht werden - das haben Hans Eichel und Gerhard Schröder Peter Struck gerade übermittelt. Der Fraktionsvorsitzende Struck beansprucht für sich aber, vorausdenken zu müssen. In den letzten Tagen war er das unübersehbar nicht: ein Vordenker. Er ist - um es sozialdemokratisch zu sagen - ein Vorarbeiter. Und der sollte dafür sorgen, dass getan wird, was ansteht. Rechtzeitig. Sonst muss er nacharbeiten.

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