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Politik: Pfeifen im Walde

Der Beitritt der Türkei rückt wieder in die Ferne

Istanbul - Die Türkei muss sich darauf einrichten, dass ihre Beitrittsverhandlungen mit der EU ab Oktober nur pro forma geführt werden. Zwar erklärte die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan am Montag, das Nein der Franzosen zur EU-Verfassung habe keine „direkten“ Auswirkungen auf die türkische Europabewerbung. Außenminister Abdullah Gül und der türkische Verhandlungsführer für die EU-Gespräche, Finanzminister Ali Babacan, zogen sich darauf zurück, die Verfassung sei für die anstehenden Beitrittsverhandlungen nicht entscheidend, die Beitrittsverhandlungen würden wie geplant am 3. Oktober beginnen. Aber de facto steht die Türkei vor einer neuen Situation.

Mit Pfeifen im Walde als Europastrategie wird die Türkei nun nicht weit kommen. Türkeiskeptiker in der EU wie die deutschen Unionsparteien wollen einen neuen Versuch starten, den Vorschlag einer „privilegierten Partnerschaft“ auf die Tagesordnung zu setzen. Dies könnte auch gelingen, weil die EU in nächster Zeit vor allem mit sich selbst beschäftigt sein und kaum Appetit auf neue Erweiterungsrunden haben wird. Nach einem möglichen Regierungswechsel in Deutschland würden die Beitrittsgespräche wahrscheinlich erschwert.

„Der gesamte europäische Horizont hat sich für die Türkei eingetrübt“, sagte ein europäischer Diplomat in Ankara. Derzeit tut die Regierung zudem wenig dafür, dass sich dieser Horizont wieder aufhellt. In der Reformpolitik geht nicht mehr viel voran. Vor wenigen Tagen bezeichnete Justizminister Cemil Cicek zudem eine geplante kritische Konferenz zur Armenierfrage als „Dolchstoß in den Rücken der türkischen Nation“. Statt europapolitischer Begeisterung regiert in Ankara der Frust über die nach Ansicht der Türken ungerechten Kritteleien der EU. So könnten die Beitrittsverhandlungen gescheitert sein, bevor sie begonnen haben.

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