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Polen: Nach deutschem Vorbild

Polens Premier Tusk will die Befugnisse des Präsidenten beschneiden – und schaut dabei auf Berlin.

Präsident und Premier umschleichen sich in Polen wie Katz und Hund. Von einer konstruktiven Kohabitation weit entfernt, versucht vor allem Staatschef Lech Kaczynski Regierungschef Donald Tusk die Arbeit seit dessen Amtsantritt vor zwei Jahren so schwer wie möglich zu gestalten. Immer häufiger beschwert sich Tusk öffentlich darüber, dass Kaczynski ihm ständig Knüppel zwischen die Beine werfe. Nun hat der Premier zur Überraschung von Freund und Feind zum großen Befreiungsschlag angesetzt. Der liberal-konservative Politiker stellte Pläne für eine Reform der polnischen Verfassung vor. Kernpunkt: die Beschneidung der Macht des Präsidenten.

Tusk orientierte sich dabei offensichtlich am deutschen System. So soll der Präsident in Zukunft nicht mehr direkt vom Volk, sondern durch eine von Senat und Sejm gebildete „Nationalversammlung“ gewählt werden. Zudem soll das Staatsoberhaupt auch sein Vetorecht gegen Gesetzesbeschlüsse des Parlaments verlieren und nur noch die Möglichkeit haben, Gesetze zur Überprüfung dem Verfassungsgericht vorzulegen.

Den Grund für seinen Vorstoß lieferte der Regierungschef natürlich auch. Die Verfassungsreform solle helfen, dass die „volle Verantwortung für die exekutive Gewalt bei der durch die Parlamentsmehrheit gestützten Regierung liegt“, erklärte Tusk. Tatsächlich sind in der polnischen Verfassung die Kompetenzen zwischen Präsident und Regierung nicht immer genau geklärt, was in der Vergangenheit zu Rangeleien zwischen den beiden ersten Männern im Staate führte. „Die Folge dieser Veränderungen wird ein Ende der politischen Streitigkeiten sein“, so hofft der Premier.

Mit diesem Satz spricht er der Mehrheit der Polen aus dem Herzen. Sie sind es leid, dass sich Präsident und Premier bisweilen regelrecht bekriegen. So musste Regierungschef Tusk Anfang 2008 die geplante Anerkennung des Kosovo zurückziehen, weil Kaczynski Einspruch erhob.

Auffallend ist die Eile, mit der Tusk die Sache vorantreiben will. In den nächsten Monaten soll ein Verfassungsausschuss dem Parlament einen Entwurf vorlegen, so dass die gesamte Reform bereits im Sommer abgeschlossen sein könnte. Das hieße, dass bereits der nächste Präsident im Herbst 2010 nach der neuen Verfassung gewählt würde.

Dieser enge Zeitplan des Premiers macht allerdings selbst die Befürworter einer Reform stutzig. Die einen vermuten, Tusk wolle mit diesem Aktionismus von der aktuellen Regierungskrise ablenken. Sein Kabinett kämpft mit den Folgen einer Glücksspielaffäre und hat innenpolitisch bisher wenig erreicht. Keine der angekündigten zentralen Reformen des Gesundheitssektors oder der Rente sind in Angriff genommen. Andere sehen persönliche Machtmotive hinter dem Drängen des Premiers. Selbst die dem Regierungschef wohlgesinnte links-liberale Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“ vermutet: „Wenn sich die Chance für eine Stärkung des Amts des Premiers ergibt, bleibt er Premier. Wenn das nicht gelingt, tritt er für das Präsidentenamt an.“

In einer unbequemen Situation befindet sich die Opposition. Angesichts der offensichtlichen Defizite plädiert auch sie seit Jahren für eine Reform der Verfassung. Die käme im Moment allerdings äußerst ungelegen, denn Donald Tusk liegt in allen Umfragen uneinholbar vor Staatspräsident Lech Kaczynski und Lichtjahre vor dessen Zwillingsbruder und Oppositionsführer Jaroslaw. Aus diesem Grund ist es unwahrscheinlich, dass ihre Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) bei einer Abstimmung über die Verfassungsänderung die nötigen Stimmen für eine Zweidrittelmehrheit im Parlament liefert.

Knut Krohn[Warschau]

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