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Polen: Regierungspartei vor der Spaltung

Fast eine Woche lang hatte Marek Jurek, Polens Parlamentspräsident, Regierungschef Jaroslaw Kaczynski im Ungewissen gelassen. Jetzt steht fest: Die von Kaczynski geführte Nationalkonservative Regierungspartei steht vor der Spaltung.

Warschau - Jurek, der am Wochenende die Mitgliedschaft in der Nationalkonservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) aufgekündigt und alle Parteiämter niedergelegt hatte, will eine neue nationalkatholische Partei gründen. Vier bisherige PiS-Abgeordnete versammelten sich demonstrativ um Jurek, der vor einer Woche seinen Rücktritt als Parlamentspräsident angekündigt hatte. "Viele, sehr viele Abgeordnete reden mit uns", sagte Jurek. Nicht nur Politiker sind an Jurek und seiner noch namenlosen Partei interessiert. Jeder fünfte Wähler überlegt einer in der konservativen Zeitung "Rzeczpospolita" veröffentlichten Umfrage zufolge, im Fall von Wahlen die neue Partei zu unterstützen.

Auslöser des Bruchs mit der PiS war die vor einer Woche gescheiterte Verfassungsreform, die eine radikale Verschärfung des Abtreibungsrechts in Polen bedeutet hätte. Die nationalistische Liga Polnischer Familien (LPR), Koalitionspartner der PiS, wollte den Schutz menschlichen Lebens "von der Empfängnis an bis zum natürlichen Tod" in der Verfassung verankern lassen. In der Praxis wäre dies einem völligen Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen gleich gekommen. Die PiS unterstützte einen etwas milderen Entwurf von Staatspräsident Lech Kaczynski. Jurek, ein überzeugter Katholik, hatte sich von Anfang an für die Verfassungsänderung eingesetzt. Seinen Rücktritt begründete er mit mangelnder Unterstützung in der Partei.

Um des Erfolges Willen?

Seit der gescheiterten Verfassungsänderung herrscht Verstimmtheit zwischen LPR und PiS. Beide Parteien weisen sich gegenseitig die Schuld daran zu, dass nun erst einmal alles beim Alten bleibt. Nicht ausgeschlossen, dass sich Unzufriedene aus beiden Parteien sowie bisher nicht fraktionsgebundene nationale und katholische Abgeordnete Jurek anschließen, der sich mit seiner Partei vor allem für eine "Zivilisation des Lebens", Familienrechte und katholisch-christliche Werte in der europäischen Zusammenarbeit einsetzen will.

Die Spaltung in Zeiten, in denen die PiS in Umfragen auf weniger als ein Drittel Wählerzustimmung kommt, dürfte bei den Kaczynski-Brüdern Erinnerungen wachrufen. Sie gründeten die PiS vor den Parlamentswahlen 2001 und führten damit zur Spaltung der Wahlaktion Solidarität (AWS) des damaligen Ministerpräsidenten Jerzy Buzek. Das Kalkül des Erfolgs unter neuem Namen ging auf: Zwar siegte 2001 die Linkspartei SLD, der PiS gelang jedoch auf Anhieb der Einzug ins Parlament. Die AWS hingegen scheiterte an der Prozenthürde.

"Nicht ganz durchdacht"

Bereits vor wenigen Tagen hatte Jaroslaw Kaczynski vorgezogene Wahlen in Aussicht gestellt, sollte die Wahl eines neuen Parlamentspräsidenten scheitern. Doch der oft so kompromisslose Regierungschef lässt Jurek derzeit noch alle Möglichkeiten offen. Die Entscheidung zur Gründung einer neuen Partei sei dramatisch, aber nicht ganz durchdacht, sagte er am Donnerstagabend im Fernsehsender Trwam des nationalkatholischen Redemptoristenpaters Tadeusz Rydzyk, dessen Medienimperium bisher die PiS unterstützte. Wenn Jurek seine Entscheidung noch einmal überdenke, könne er auch wieder Parlamentspräsident werden, versprach Kaczynski. "Und weil unsere Partei eine christliche Partei ist, ist sie bereit zu vergeben." (Von Eva Krafczyk, dpa)

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