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Politik: Polen rein, Sachsen raus

Bei der Erweiterung der Europäischen Union lautet die Devise der EU-Kommission: sparen. Weil das Geld in einer größer werdenden EU knapp wird, fordert die Kommission, die europäischen Agrarsubventionen für die Beitrittsländer im ersten Jahr zunächst auf 25 Prozent des EU-Niveaus zu begrenzen und nur schrittweise anzuheben.

Bei der Erweiterung der Europäischen Union lautet die Devise der EU-Kommission: sparen. Weil das Geld in einer größer werdenden EU knapp wird, fordert die Kommission, die europäischen Agrarsubventionen für die Beitrittsländer im ersten Jahr zunächst auf 25 Prozent des EU-Niveaus zu begrenzen und nur schrittweise anzuheben. Prompt erhebt sich Protest: Am Freitag demonstrierten polnische Bauern vor der EU-Vertretung in Warschau gegen Brüssel. "Wir lassen nicht zu, dass die polnischen Bauern als Bauern zweiter Klasse behandelt werden," sagte Wladyslaw Serafin, der Vorsitzende des polnischen Bauernverbands. Auch der tschechische Agrarminister Jan Fencl forderte in Prag, seine Landwirte müssten genauso behandelt werden wie die Bauern in der heutigen EU.

Probleme bereitet der EU im Zuge der Erweiterung aber nicht nur die Verteilung der Agrarsubventionen. Auch über die so genannten Strukturfonds wird gefeilscht. Noch sind die "alten" EU-Mitglieder dabei unter sich - aber nicht mehr lange. Die Strukturmittel sollen dazu dienen, das Wohlstandsgefälle innerhalb Europas zu verringern. Einige Mitgliedstaaten wie Griechenland und Portugal sind auf das Geld angewiesen. Andere Empfängerländer wie Deutschland und Spanien kämpfen unabhängig von ihrer tatsächlichen Notlage darum, auch nach der Erweiterung Fördermittel zu erhalten. Die EU-Mitglieder müssen sich in den nächsten zwei Jahren darüber auseinandersetzen, wie das Geld aus diesen Töpfen in Zukunft verteilt werden soll. Lassen sie sich damit zu lange Zeit - der Finanzrahmen gilt bis 2006 -, sitzen die neuen Mitglieder mit am Tisch.

Die Schere zwischen reichen und armen Regionen auf EU-Ebene ist sehr viel weiter als im nationalen Rahmen. Aber auch in einigen Mitgliedstaaten hat sich die Unausgewogenheit verstärkt. Einzelne Stadtteile von Neapel haben eine Arbeitslosenquote von einem Prozent, andere eine Quote von 30 Prozent. Am weitesten auseinander liegen innerhalb der EU nach Zahlen von 1999 Inner-London mit 242 Prozent des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens und die französische Regionen Guyane oder die griechische Region Ipeiros mit 51 Prozent.

Nach dem Beitritt neuer Mitglieder wird die Schere zwischen Arm und Reich in der EU noch weiter auseinander klaffen. Die Beitrittsländer haben meistens weitaus niedrigere Pro-Kopf-Einkommen. Es liegt beispielsweise im Nordosten von Rumänien bei 18 Prozent des EU-Durchschnitts. Auch wenn das Pro-Kopf-Einkommen in den übrigen Kandidatenländern nicht so niedrig ist, erfüllen doch 52 der 56 Regionen in den Kandidatenländern die so genannten Ziel-1-Kriterien, die für eine Förderung mit Geldern aus den Strukturfonds maßgeblich sind.

Die Armut der Kandidaten wird dazu führen, dass in Ostdeutschland nur noch Dessau und Schwerin als Ziel-1-Region anerkannt werden können. Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Dresden, Halle, Magdeburg und Thüringen werden aus der Förderung herausfallen.

Unterdessen will sich die EU-Haushaltskommissarin Michaele Schreyer in ihrem Sparwillen nicht beirren lassen: Am Freitag äußerte sie in Berlin die Erwartung, dass die Leitlinien der EU-Kommission zur Finanzierung der EU-Osterweiterung vom Ministerrat akzeptiert würden. Die Vorschläge der Kommission seien "kein Angebot zum Feilschen", sondern "realistische Vorschläge", die unterschiedlichen Interessen berücksichtigten. Obwohl der Europäischen Union nun aller Voraussicht nach in einer ersten Runde mehr Länder als ursprünglich erwartet beitreten und auch zusätzliche Mittel für Nordzypern, Kernkraftwerke und Agrar-Direktbeihilfen berücksichtigt werden mussten, sei die Kommission im Rahmen der geltenden EU-Finanzplanung geblieben.

Auch ein Trostpflaster für Deutschland hatte die Kommissarin parat: Schreyer erinnerte daran, dass der deutsche Beitrag zum EU-Haushalt auf knapp 23,7 Prozent gesunken sei. Die Ersparnis für den Bundesfinanzminister im laufenden Jahr bezifferte sie mit 715 Millionen Euro.

Mariele Schulze Berndt

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