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Politik: Polens Gewissen

Papst Johannes Paul II. prangert Armut und Ungerechtigkeit in seiner Heimat an / Begeisterter Empfang in Krakau

Von Thomas Roser, Krakau

Schulter an Schulter drängeln sich die Gläubigen in der Ulica Franciszkanska, um einen Blick auf den alten Mann hinter dem Panzerglas zu erhaschen. „Willkommen zu Hause, wir lieben dich !“ grüßt die Menge begeistert den gebückt in seinem Papamobil thronenden Papst. „Für uns ist der Papst alles, das Leben, unser Herz,“ sagt Monika Fornal. Wegen der 9. Pilgerfahrt von Johannes Paul II. in seine Heimat hat die 28-Jährige selbst eine Einladung zu einer Hochzeitsfeier abgesagt: „Der Besuch des Papstes ist ein großartiges Erlebnis im Leben jedes Polen, wir müssen einfach hier sein."

Zehntausende von Gläubigen bereiteten dem 82-Jährigen bereits bei seiner Ankunft am Krakauer Flughafen Balice einen begeisterten Empfang. Von Gefühlen „innerer Bewegung und Freude“ sprach der müde wirkende Papst bei seiner Rückkehr in die Stadt, in der er vor mehr als 40 Jahren seine Karriere als Priester begonnen hatte. Er danke dem Papst „für alles, was er für die polnische Geschichte getan“ habe, begrüßte ihn Präsident Aleksander Kwasniewski: „Ob jung oder alt, gläubig oder ungläubig – alle Polen sind unter dem Eindruck Ihrer Worte und Schriften: Für uns sind Sie die moralische Autorität."

Bei einer Privataudienz zu Jahresbeginn hatte Polens Premier Leszek Miller den durch die Parkinsonsche Krankheit geschwächten Papst zu einer neuerlichen Reise in sein von einer tiefen Rezession gebeuteltes Heimatland überredet. Die Hoffnung, dass der Papst seinem durch die hohe Arbeitslosigkeit und zunehmende Armut verunsicherten Kirchenvolk neuen Mut zusprechen könne, erfüllte der Gast aus Rom bereits zum Auftakt seiner viertägigen Visite. Er sei sich bewusst, wie sehr sich sein Heimatland seit seiner ersten Pilgerfahrt im Jahre 1979 verändert habe, und er wisse, dass vor allem Alte, kinderreiche Familien und Arbeitslose die „Bürde des sozialen und wirtschaftlichen Wandels“ zu tragen hätten, sicherte der Papst Polens Wende-Verlierern seine Solidarität zu: „Ich teile ihr Schicksal und ihre Sorgen. Eine positive Zukunft kann nicht auf Armut, Ungerechtigkeit und dem Leiden unserer Brüder und Schwester gebaut werden."

Die Polen-Reise des Papstes habe nicht nur eine religiöse, sondern auch eine „politische Dimension“ ist der Krakauer Ingenieur Andrzej Homa überzeugt, der gemeinsam mit seiner Frau vor dem Bischofspalast auf die traditionelle Gute-Nacht-Rede des Papstes aus dem Fenster seiner Residenz wartet. Nicht nur die Wirtschaftskrise, sondern auch korrupte und unfähige Politiker machten Polen zu schaffen: „Um die Moral ist es schlecht bestellt. Ich hoffe, dass der Papst den Politikern ins Gewissen redet. In Polen muss man scharfe Worte sagen, nur dann kann man hier die Geister wecken."

Doch allein schon die Anwesenheit des Papstes scheint die meisten Pilger ihre Alltagssorgen vergessen lassen, für eine spirituelle Ermutigung zu sorgen. An die Möglichkeit, dass dies möglicherweise der letzte Besuch des Papstes in seiner Heimat sein könne, wollen viele der tiefgläubigen Polen in diesen Tagen trotz des schlechten Gesundheitszustands von Karol Wojtyla denn auch kaum denken. Johannes Paul II. sei bereits Papst gewesen, als sie geboren wurde, sagt die 24-jährige Anna Labus aus Warschau: „Ein Leben ohne ihn kann ich mir nicht vorstellen. Ich bin mir sicher, dass er uns noch viele Male besuchen wird.“

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