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Politik: Politik der Nadelstiche

Die Ukraine gewährt einem Journalisten aus Sibirien politisches Asyl – und ärgert damit den ungeliebten Nachbarn Russland weiter

Die Diplomaten in Kiew und Moskau haben in diesen Tagen keine ruhige Minute. Das Verhältnis zwischen den beiden Staaten ist schlecht wie selten zuvor. Gestritten wird über den Beitritt der Ukraine zur Welthandelsorganisation WTO, Kiews Liebäugeln mit der Nato – und im Streit ums Gas hätte nicht viel gefehlt, dass Moskau wieder einmal den Hahn abgedreht hätte. Doch anstatt auf Entspannung zu setzen, traktiert die Ukraine den ungeliebten Nachbarn noch mit kleinen, gezielt gesetzten Nadelstichen.

Zuletzt wartete die russische Tageszeitung „Kommersant“ mit einer für den Kreml unerfreulichen Nachricht auf. Dort war zu lesen, dass der russische Journalist Alexander Koswinzew in der Ukraine politisches Asyl bekommt hat. Die Botschaft an den Rest der Welt ist klar: Russland wird in eine Reihe mit zwielichtigen Schurkenstaaten gestellt, in denen die Menschenrechte mit Füßen getreten werden.

Der Reporter kommt aus dem sibirischen Kemerowo, wo er einen Skandal über illegale Giftmüllentsorgung und die Veruntreuungen von Staatsgeldern aufgedeckt hatte. In das undurchsichtige Treiben verwickelt war offensichtlich auch der Gouverneur des Gebietes, Aman Tulejew. Koswinzew behauptet, dass er während der Recherche massiv bedroht worden sei. Zuletzt habe er sogar um sein Leben fürchten müssen.

„Das ist eine sehr schlechte Neuigkeit“, kommentiert Konstantin Satulin die Entscheidung der ukrainischen Behörden, dem Reporter Asyl zu gewähren. Für den Direktor des Instituts für die GUS-Länder in Moskau ist das „zweifellos ein politischer Beschluss.“ Und er warnt: „Eine solche Politisierung kann unerwünschte Folgen für die Beziehungen zwischen unseren Ländern nach sich ziehen.“

Die ukrainischen Ausländerbehörden sind sich allerdings keiner Schuld bewusst, da man nach objektiven Kriterien gehandelt habe. Der Fall sei ausführlich geprüft worden, und am Ende habe die Auffassung gestanden, dass eine Rückkehr Koswinzews nach Russland dessen Leben gefährden würde.

In das gleiche Horn stößt Alexander Tschernowolenko, Abgeordneter der Regierungspartei Unsere Ukraine. Bei Entscheidungen über Asylanträge orientiere sich der Staat lediglich an demokratischen und humanitären Grundsätzen. Und auch er kann sich einen kleinen Seitenhieb nicht verkneifen: „Die Bürger des Brudervolkes müssen wissen, dass sie die Ukraine um Schutz bitten können.“

Knut Krohn[Warschau]

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