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Kennedy hat an zahlreichen Protesten teilgenommen – und sie zum Teil initiiert.

© Guardian

Polizeiagent Kennedy: Undercover in der Umweltszene

Das Doppelleben des Polizeiagenten: Verdeckte Ermittlungen der britischen Polizei werden zum Politikum – auf welcher Seite stand Mark Kennedy?

Seit das Doppelleben des Polizeiagenten Mark Kennedy vor einem Gericht in Nottingham aufflog, wird er von Buchverlagen, Filmproduzenten, Medien und Politikern gesucht. Er selbst hat sich ins Ausland abgesetzt und schweigt. Sieben Jahre hat er für die Polizei die britische Umweltprotestszene ausspioniert. Nun ist nicht nur er um Antworten verlegen. Politiker fragen, was Agenten in der Umweltszene zu suchen haben und ob hier „Nüsse mit dem Vorschlaghammer geknackt wurden“.

Die Staatsanwaltschaft ließ den Prozess gegen sechs Aktivisten wegen einer Kraftwerksbesetzung lieber platzen, als Einzelheiten über Kennedys Arbeit als verdeckter Ermittler gerichtskundig zu machen. Es hieß, Kennedy sei bereit, zugunsten der Angeklagten in den Zeugenstand zu treten. Hätte er sich selbst bezichtigt, als „agent provocateur“ zur Besetzung des Kohlekraftwerks Ratcliffe-on-Soar aufgestachelt zu haben? Hatte er die Seiten gewechselt?

Kennedy, der sich in der Szene „Mark Stone“ nannte, wurde im Oktober 2010 von Mitstreitern enttarnt, weil jemand einen Pass mit seinem wahren Namen fand. Mark gab sich am Boden zerstört und versprach Wiedergutmachung. „Ihr seid großartige Kumpels. Nun bin ich sehr allein und weiß nicht, wo ich mich hinwenden soll“, sagte er laut einer nun in der BBC ausgestrahlten Aufzeichnung. Im Internet wurden Handbücher herumgeschickt, wie man Geheimagenten enttarnt und stellt. In Szeneblogs wurde voll Verachtung über den Verräter geschrieben.

Peter Fahy, Polizeichef von Manchester, verteidigte den Einsatz verdeckter Ermittler vor einem Unterhausausschuss. „Sie ist streng kontrolliert und spielt in einigen sehr, sehr schwierigen Ermittlungen eine enorme Rolle“. Kennedy arbeitete als Teil des „National Public Order Intelligence Unit“ (NPOIU), der 1999 für den Kampf gegen militante britische Tierschützer aufgestellt wurde. Dabei handelte es sich nicht um harmlose Gutmenschen, sondern Organisationen wie die „Animal Rights Liberation Front“, die Biofirmen, Wissenschaftler und Unternehmen mit Terror bekämpften.

Laut einem Exposé des „Guardian“ bereiste Kennedy 22 Länder, nahm an Protestaktionen in Island und Spanien teil, hatte Kontakte zu Anarchistenkreisen in Deutschland und Italien und war an Protesten gegen G-8-Gipfeltreffen beteiligt. Erst nach den jüngsten Londoner Studentenkrawallen wurde offen gefragt, ob die Polizei genügend „Spione“ in der für Ausschreitungen verantwortlichen Anarchistenszene hatte.

Zu den Aufgaben des NPOIU gehört die Überwachung der Extremistenszene, um die Einschätzung von Gefahren zu ermöglichen, kriminelle Akte aufzuklären oder zu verhindern. Doch nun wird nicht nur gefragt, was Kennedy sieben Jahre auf seinem verdeckten Posten wirklich machte. Der Labourabgeordnete David Winnick fordert eine Parlamentserklärung. Seine Sorge sei nicht die Tatsache, dass es solche Agenten gebe, sondern der Verdacht, dass Kennedy als agent provocateur gehandelt habe.

Agenten seien eine althergebrachte und wichtige Praxis der Polizei, so der frühere stellvertretende Londoner Polizeidirektor Bob Quick. „Aber es gibt Risiken und manchmal geht etwas schief“. Infiltrierte Kennedy die Szene emotional zu gründlich? Der Polizeiaufsicht liegt die Beschwerde einer Frau vor, die mehrfach mit Kennedy schlief und nun wissen will, ob das im Dienstauftrag geschah. „Wenn jemand bezahlt hat, Sex mit mir zu haben, ist das wie eine Vergewaltigung“, sagte die Frau, die sich „Anna“ nannte, dem „Guardian“.

Kein Wunder, dass ein Wettlauf um die Filmrechte an der Geschichte des langhaarigen, tätowierten Polizisten begonnen hat, der offenbar mit einer Szeneanhängerin auf einem Kanalboot lebte, aber immer wieder verschwand, um seine wahre Familie zu besuchen oder Polizeiberichte abzusetzen. Er spielte die Rolle eines Alpha-Mannes. Mit seinen Affären, seinen Gewissensqualen und der Kühnheit, mit der er Kraftwerksschornsteine erkletterte, würde er sich gut zum Filmhelden eignen.

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