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Politik: Polnisches Poker

Warschau will in letzter Minute mehr Agrarhilfen aushandeln – Verheugen warnt davor, den Beitritt zu verzögern

Großer historischer Augenblick einerseits und kleinlicher Finanz-Poker andererseits – die Spannweite war groß vor dem Beginn des Gipfels in Kopenhagen, bei dem die EU-Erweiterung besiegelt werden soll. Denn vor der historischen Entscheidung stehen noch harte Verhandlungen an. „Bis zum letzten“, so hatte der Warschauer Regierungssprecher Michal Tober angekündigt, werde Polen für günstige Aufnahmebedingungen kämpfen. Am Donnerstagabend zeigte der dänische EU-Ratspräsident Anders Fogh Rasmussen dann, dass er auch pokern kann: Wer jetzt unter den zehn Kandidatenländern zu keinem Abschluss mit der EU kommt, der müsse eben bis zur nächsten Erweiterungsrunde im Jahr 2007 warten.

Es sei kein Geheimnis, erklärte der dänische Ministerpräsident zu Beginn des Treffens, dass die polnische Regierung mit dem dänischen Kompromissvorschlag zur Finanzierung der EU-Erweiterung nicht zufrieden ist. Umstritten ist zunächst die Frage, was die EU-Erweiterung in den Jahren zwischen 2004 und 2006 überhaupt kosten darf. Beim Berliner EU-Gipfel 1999 war für die Erweiterung ein Finanzrahmen von 42,6 Milliarden Euro festgelegt worden. Vor allem Polen beruft sich auf diese Zusage, von der die Staats- und Regierungschefs der EU inzwischen deutlich nach unten abgewichen sind. In Brüssel vereinbarten sie im vergangenen Oktober eine Obergrenze von 39,3 Milliarden Euro. Der dänische Kompromissvorschlag sieht zwischen 2004 und 2006 Erweiterungskosten über 40,4 Milliarden Euro vor.

Rasmussen machte zum Auftakt des Gipfels deutlich, dass er auch bei den EU-Nettozahlern im Wort steht: „In diesem Moment habe ich nicht mehr Geld.“ In seinem Einladungsbrief an die Gipfelteilnehmer hatte er vorsorglich angekündigt, das auf zwei Tage angesetzte Treffen in Kopenhagen könne leicht bis ins Wochenende ausgedehnt werden. Offenbar gilt in der dänischen Hauptstadt vor allem für Polen die Regel: Je härter gepokert und je länger verhandelt wird, umso leichter lässt sich das Ergebnis anschließend in der Heimat verkaufen. Fast ein Fünftel der polnischen Arbeiterschaft sind Landwirte, die von den anfangs geringeren EU-Direktzahlungen betroffen wären.

Rasmussen machte zu Beginn der ersten Verhandlungsrunde aber auch versöhnliche Signale aus Warschau aus. Er bezog sich dabei auf eine goldene Brücke, die die Dänen vor allem den skeptischen Polen gebaut haben: Nach dem dänischen Vorschlag sollen die neuen EU-Mitglieder zwischen 2004 und 2006 die Möglichkeit erhalten, die geringeren EU-Direktzahlungen für die Landwirte aus Eigenmitteln nach und nach aufzustocken – bis zu einem Anteil von 55 Prozent der üblichen EU-Direktzahlungen im Jahr 2006. Diesen Vorschlag habe Warschau offenbar akzeptiert, so Rasmussen. Er wolle versuchen, die Differenzen zwischen Polen und der EU in einem direkten Gespräch mit dem Warschauer Regierungschef Leszek Miller auszuräumen.

Um den Gipfel nicht im Streit um die letzten Zloty scheitern zu lassen, werben EU-Kommissionspräsident Romano Prodi und Erweiterungskommissar Günter Verheugen für Verständnis angesichts der Lage der Beitrittskandidaten. Er erwarte von den alten EU-Staaten ein Entgegenkommen, um die „außerordentlichen Haushaltsprobleme der neuen Mitgliedsländer“ in den ersten Jahren nach dem Beitritt 2004 zu lindern, sagte Verheugen im ZDF. Ein Scheitern des Gipfels oder eine Verzögerung der Beitritte werde dagegen eine negative Rückwirkung auf die Stimmung in den Kandidatenländern haben: „Es ist Jetzt oder Nie“.

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