zum Hauptinhalt
Der Autor und Schriftsteller Deniz Utlu, aufgenommen am 25. Mai 2017 in Berlin.

© Kitty Kleist-Heinrich

Porträt des Schriftstellers Deniz Utlu: Der analytische Poet

Der Schriftsteller schreibt ab Juni 2017 eine Kolumne auf den Meinungsseiten des Tagesspiegels. Ein Porträt.

Eine Kolumne von Ariane Bemmer

Ein Haufen Buchstaben, und er weiß nicht, was sie bedeuten, das hat Deniz Utlu verrückt gemacht, den Zustand wollte er unbedingt ändern und dann auch möglichst schnell selbst Geschriebenes hinterlassen.

Da war er in der ersten Klasse.

Er drängte die überraschten Eltern, ihm statt der normalen Notizblöcke ein ordentliches Schreibbuch zu kaufen, in das er nicht weniger als eine romanhafte Abwandlung der Geschichte seines Lebens schreiben wollte. „Ich habe ganz klein geschrieben“, erinnert sich Utlu, „damit alles reinpasst.“

Ein Manuskript zum Versenden an Verlage ist daraus nicht geworden, aber aus Deniz Utlu trotzdem ein Schriftsteller. „Die Ungehaltenen“ hieß sein Debüt, ein Einwandererroman, als „pointiert und poetisch“ beschrieb der Tagesspiegel Utlus Sprache. Und der fühlt er sich verpflichtet. Auch seine neue Kolumne, die ab diesem Samstag im Wechsel mit Pascale Hugues’ erscheinen wird, soll „analytisch-poetisch“ sein, sagt Utlu. Weniger einem Thema verbunden als der Form: der sehr subjektiven Beobachtung, der Schilderung von Begegnungen, von den vielen Reisen, die er mit dem Goethe-Institut machen konnte, ob nach Polen oder Peru. Die vielen Reisen, die er in jüngster Zeit gemacht hat, hätten ihm klargemacht, „wie sehr die Dinge miteinander zusammenhängen“. Von Ohnmacht angesichts überkomplexer Zustände will er aber nichts wissen. Er versteht sich als Optimist, in dem Sinn, als er Veränderung für möglich hält. „Der ehrliche Versuch, zu verstehen, was passiert, stößt den Vorgang der Veränderung ja bereits an“, sagt er.

Utlu wurde 1983 als Kind türkischer Eltern in Hannover geboren und wuchs dort auf. In der Schule entwickelten er und Klassenkameraden die Idee zu Lesungen eigener Texte. Zunächst in der Aula, dann in den Kneipen und Cafés von Hannover, die dafür offen waren. Erst kamen nur Mitschüler, dann immer mehr Interessierte. Später erhielt er Stipendien, und so zog es ihn in den Kulturbetrieb, und der zog ihn nach Berlin.

Fragen, die ihm besonders am Herzen liegen, drehen sich oft um das Kernthema Solidarität. Wer tut sich mit wem zusammen oder auch nicht. Das kann den Umgang diskriminierter Menschen miteinander betreffen oder die Entwicklung Europas, auch um den NSU-Prozess soll es gehen, um die Bundestagswahlen im Herbst, um Machtverhältnisse. Beobachtet, erlebt und verarbeitet nicht als Reporter-Prosaist, aber als poetischer Schriftsteller.

Zur Startseite