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Politik: Porträt: Paul Kirchhof:

Mit der Berufung von Ex-Verfassungsrichter Paul Kirchhof für ihr Wahlkampfteam ist Kanzlerkandidatin Angela Merkel durchaus ein Coup gelungen.

Berlin (16.08.2005, 14:43 Uhr) - Der 62-jährige parteilose Rechtsprofessor ist einer der renommiertesten Steuerexperten. Im so genannten Kompetenzteam von CDU/CSU soll Kirchhof den Schlüsselposten Haushalt und Finanzen besetzen und dem Wahlkampf der Union nach den heftigen Turbulenzen nun den erhofften Schub geben. Von einem Schattenkabinett ist nicht die Rede. Ob der allseits anerkannte Jurist nach einem Wahlsieg auch an die Spitze des Finanzministeriums in Berlin rückt, hängt vorerst weiter von CSU-Chef Edmund Stoiber ab.

Die Berufung Kirchhofs kommt überraschend, hatte sich aber durchaus abgezeichnet. Denn eine Rückkehr von CDU-Wirtschafts- und Finanzexperte Friedrich Merz galt zuletzt als ausgeschlossen. In der Wirtschaft sowie unter den CDU-Länderchefs wiederum war angesichts des Zauderns des bayerischen Ministerpräsidenten die Neigung gering, in das «Kompetenzteam» zu rücken, um später wieder abserviert zu werden. Ein Steuerexperte, der dem Programm einer möglichen schwarz- gelben Koalition nahe steht, wurde wahrscheinlicher. Schließlich ist Kirchhof Vordenker der Merz'schen «Bierdeckel»-Steuerreform.

Den Sohn eines Bundesrichters ereilt nicht das erste Mal der Ruf der Politik. Schon einmal war er als Bundesminister im Gespräch, auch als möglicher Bundespräsident. Zuletzt sorgte Kirchhof für Schlagzeilen, als er in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank bestellt wurde. Deutschlands größtes Geldhaus soll er bis 2008 kontrollieren.

Ein «neoliberales» Aushängeschild der Konservativen ist der entschieden für die Marktwirtschaft eintretende Kirchhof aber nicht. Der Vater von vier Kindern trat in seiner Karlsruher Zeit von 1987 bis 1999 auch als Sozialpolitiker und Sachwalter der Interessen von Familien auf. Der einst jüngste Verfassungsrichter war beteiligt an maßgeblichen Entscheidungen zum Kindergeld, zur Vermögensteuer oder zur Steuerentlastung für Familien. Kirchhofs Handschrift tragen aber auch die Urteile zum Euro und zum Länderfinanzausgleich.

Ende 2003 legte der groß gewachsene Spitzenjurist nach drei Jahren Arbeit ein einfaches Steuerrecht vor. Der komplett ausformulierte Gesetzestext kommt mit nur neun Seiten aus und sieht im Kern einen einzigen Steuersatz von 25 Prozent auf jede Form von Einkommen vor. Sämtliche Privilegien werden abgeschafft. Die Steuererklärung soll nur zehn Minuten beanspruchen, sagt Kirchhof, der äußerst redegewandt ist und sich nicht in Experten-Kauderwelsch flüchtet.

Die SPD, die Kirchhofs Berufung eine «Verlegenheitslösung ohne Perspektive» nennt, verweist nicht nur auf frühere Kritik auch unionsgeführter Länder am Steuermodell Kirchhofs. Finanzpolitik, so moniert SPD-Fraktionsvize Joachim Poß, sei mehr als Verfassungsfragen. Kirchhof habe nie realistische Vorschläge zur Verbesserung der Lage der Staatsfinanzen gemacht und sich nie mit der «internationalen Dimension der Finanzpolitik» befasst.

Es bleibt abzuwarten, wie sich Kirchhof auf diesen Feldern schlägt, sollte er am Ende wirklich an der Spitze des Finanzministeriums stehen. Bereit sei er dazu, heißt es. In Karlsruhe jedenfalls galt Kirchhof nicht nur als Steuerexperte, sondern auch als ideenreicher und durchsetzungsfähiger Richter. Nicht selten hatten die Urteile milliardenschwere Folgen für den Haushalt. (tso)

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