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Der NPD-Europaabgeordnete Udo Voigt am 1. Mai 2015 während einer Kundgebung seiner Partei in Erfurt (Thüringen).

© dpa

Porträt von NPD-Mann im SZ-Magazin: Der Brandstifter als Biedermann

"Ein geheimnisloser, kein unangenehmer Mensch": Wenn Udo Voigt, der für die NPD im Europa-Parlament sitzt, zwölf Magazinseiten in der Süddeutschen Zeitung kriegt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Peter von Becker

Die „Süddeutsche Zeitung“ ist eine der besten Zeitungen. Dazu gehört jeden Freitag auch das „SZ-Magazin“, das man schon wegen seines meist wundervoll witzigen wortlosen Foto-Kurzinterview-Portraits „Sagen Sie jetzt nichts“ sagenhaft lieben muss.

Am 11. Mai 1990 ist das „SZ- Magazin“ zum ersten Mal erschienen. Ein Grund zum Feiern, 25 Jahre jung. Als aber am 8. Mai 2015, an dem es auch ein Jubiläum gab, das jüngste Heft erschien, haben sich viele Leser die Augen gerieben. Ein verdrießlich dreinblickender Mann, grauhaarig, schnauzbärtig mit zusammengekniffenen Lippen und Lidern, schaut uns an, zwischen den beiden versalen Titelzeilen: „Hinten rechts“. Untertitel: „Der NPD-Politiker Udo Voigt lehnt die EU ab, sitzt aber im Europaparlament – in der letzten Reihe. Wir haben ihn ein Jahr lang beobachtet.“

Der einzige deutsche Rechtsaußen im EU-Parlament

Als Leser wie auch als journalistischer Kollege denkt man: ein Jahr lang, Donnerwetter, welch ein Aufwand! Der 63-jährige Udo Voigt aus dem niederrheinischen Viersen, ein ehemaliger Bundeswehrhauptmann, war von 1996 bis 2011 Parteivorsitzender der NPD. Er wurde wegen Volksverhetzung rechtskräftig verurteilt und ist kein Unbekannter. Seit 2014 ist er der einzige deutsche Rechtsaußen im EU-Parlament, isoliert, im Kontakt offenbar nur mit Abgeordneten der rassistischen ungarischen Rechtspartei Jobbik und mit den griechischen Neofaschisten der „Goldenen Morgenröte“. Im Abendrot der NPD, gegen die in Folge der Morde des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) wieder ein Verbotsantrag in Karlsruhe läuft, ist dieser nicht unbekannte EU-Abgeordnete Voigt ein eher Unbedeutender. Was noch nicht gegen eine gute Recherche spricht.

Das richtige Augenreiben beginnt so erst im Inneren des Magazins. Weil die Reportage über Herrn Voigt fast kein Ende nimmt. Es sind tatsächlich zwölf (12!) Seiten Text und Bilder. Darin lesen wir, dass Voigt neben „zähem Ringen um(s) Verstehen“ und „heiteren Momenten“ auch „wortloses Entsetzen“ beim Autor ausgelöst habe. Voigt hält Adolf Hitler vor allem für einen bedeutenden Staatsmann und hätte gerne einen Friedensnobelpreis für dessen Stellvertreter Rudolf Heß gehabt. Natürlich ist Voigt gegen Einwanderung (auch in der Fußballnationalmannschaft) oder zu viele Asylflüchtlinge. Im Europawahlkampf 2014, der ihn nach Brüssel brachte, hat er NPD-Plakate mit dem Slogan „Gas geben“ drucken lassen, nicht nur in Berlin, wie es im Magazin heißt. Die Plakate hingen besonders zahlreich zum Beispiel in Oranienburg, unweit der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen (wo eine Gaskammer war).

Nach Feierabend Mozart lieben

Auf den zwölf Seiten gibt es zu keinem der wirklich heiklen Themen eine detailliertere Nachfrage oder gar eine Diskussion. Auch nicht zum Holocaust oder zum Zweiten Weltkrieg – es ist die Ausgabe vom 8. Mai. Beim Slogan „Gas geben“ verweist Voigt auf das Plakatbild, das ihn auf einem Motorrad zeigt, „wie könne man das missverstehen“?

Am Ende der zwölften Seite heißt es dann als Fazit: „Udo Voigt ist ein geheimnisloser, kein unangenehmer Mensch. Als Politiker ist er gefährlich, weil er mit seinen Reden und Ansichten ein gesellschaftliches Klima prägt, das andere veranlasst, Gewalt auszuüben.“ Auffällig ist, dass in der Autor-Notiz darunter eigens betont wird, dass der „SZ“-Reporter „die deutsche Romantik und seine Heimat“ liebt und auch „eine Frau aus Südostasien, die erst vor ein paar Jahren einen deutschen Pass bekommen hat“. Man weiß nicht genau, ob das charmant ist oder politisch korrekt eigens betont werden soll. Nach einem Porträt, das den alten Brandstifter als persönlich bescheidenen, im Brüsseler „Amt“ bis in die Nacht fleißigen, privat „höflichen“ Biedermann zeigen soll. Als wäre das was Neues, am Feierabend seinen Schäferhund oder Mozart zu lieben.

Die Deutschen schätzten Angela Merkel als „verlässlich, berechenbar, vernünftig. Auch wenn es merkwürdig klingt, all das ist Udo Voigt“, heißt es im "SZ"-Magazin. Aber das klingt nun wirklich merkwürdig. Denn welche „Vernunft“ treibt einen in die Verbohrtheit eines Hitler- und Heß-Bewunderers? Einen Mann, der gerade auf seiner aktuellen Website schreiben lässt: „...wenn in der EU von Grund- und Menschenrechten gesprochen wird, sind damit Schwule, Lesben, Sinti und Roma, Juden und Migranten gemeint. Nationale Politiker stehen außerhalb der Europäischen Menschenrechtscharta.“ Das ist zwar selbstmitleidig-aggressiv gemeint, hat aber unfreiwillig auch einen Beiklang von Wahrheit.

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