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Präsidentenwahl Georgien

© dpa

Präsidentschaftswahl: Georgier wählen bei Schneetreiben

Bei ziemlich widrigen Wetterbedingungen haben die Georgier sich daran gemacht, einen neuen Präsidenten zu wählen. Amtsinhaber Michail Saakaschwilis Chancen stehen nicht schlecht - auch wenn er sich in letzter Zeit wenig Freunde gemacht hat.

Die Schneemassen an diesem Wahltag in Georgien hätten dem politisch angeschlagenen Präsidentenkandidaten Michail Saakaschwili nicht ungelegener kommen können. "Da bricht man sich ja den Hals", schimpft die Jungwählerin Nino vor dem Wahllokal 22 in der Hauptstadt Tiflis. Kein Weg ist geräumt oder gestreut. "Nicht einmal heute sorgen die Politiker dafür, dass wir sicher auf den Straßen vorankommen", schimpft der Taxifahrer Luka. Er wünscht sich von dem neuen Präsidenten auch, dass die verfallene Altstadt saniert wird. Der für Georgien ungewöhnlich starke Wintereinbruch hält viele Menschen davon ab, wählen zu gehen. Dabei sind zumindest die städtischen Verkehrsmittel an diesem Samstag kostenlos.

Viele Georgier erwarten, dass der 40 Jahre alte Saakaschwili trotz drastischer Stimmenverluste im Vergleich zu 2004 die Wahl für sich entscheidet. Der prowestliche Politiker hat den teuersten Wahlkampf geführt, die meiste Medienaufmerksamkeit genossen und ein großes Sozialprogramm "Georgien ohne Armut" angekündigt. Dennoch vergisst ihm keiner hier das gewaltsame Vorgehen gegen Regierungskritiker Anfang November, als die Polizei Knüppel und Tränengas gegen Demonstranten einsetzte. Saakaschwili rief vorübergehend den Ausnahmezustand aus und zog die Neuwahlen auf diesen 5. Januar vor - einen Tag vor dem orthodoxen Weihnachtsfest.

Allgegenwärtiger Saakaschwili

"Natürlich war die Polizeigewalt ein Schock, aber wir haben keinen Besseren als Saakaschwili, die anderen sechs Kandidaten sind keine Politiker, sie interessieren sich nur für sich selbst", sagt die 25 Jahre alte Hotelangestellte Eka. In den vergangenen vier Jahren habe sich so viel verändert wie in all den Jahren unter Ex-Präsident Eduard Schewardnadse nicht, sagen Saakaschwilis Anhänger. Sie tragen an diesem verschneiten Wahltag warme rote Schals, Mützen und sogar Jacken mit der Nummer 5, Saakaschwilis Platz auf der Wahlliste. Der Politiker hatte immer wieder versprochen, dass niemand frieren solle.

Plakate, auf denen der Jurist mit alten und jungen Menschen seines Landes spricht, dominieren das Stadtbild. "Als ich klein war, musste ich morgens mit der Taschenlampe aus dem Haus. Seit Saakaschwili da ist, gibt es Straßenbeleuchtung. Zuhause haben wir Gas und Elektrizität", sagt Eka. Auch die Autos auf den Straßen würden viel seltener als früher aufgebrochen. Saakaschwilis Unterstützer sagen, dass er mehr Zeit für die nötigen Veränderungen brauche. "Er zeigt, dass er sein Land liebt und nicht wie Hunderttausende andere gut qualifizierte Georgier einfach ins Ausland geht", sagt der Künstler Georgi, der im Schnee an der Rustaweli-Straße seine Bilder verkauft.

Spezielle Farbe für die Wähler

Im Wahllokal 22 in einer Schule ist der Andrang trotz des schlechten Wetters groß. Sicherheitskräfte leuchten mit einer UV-Lampe die Finger und Hände der Wähler ab, um erneute Abstimmungen zu verhindern. Wahlhelfer sprühen bei der Registrierung jedem Georgier die farblose Flüssigkeit auf, die unter dem Licht leuchtet. Die Menschen stimmen auf Extra-Zetteln auch über vorgezogene Parlamentswahlen in diesem Frühjahr und einen Nato-Beitritt ab. "Bei uns läuft alles ordentlich", beteuert Wahlhelfer Artschil. Auch offizielle Wahlbeobachter bestätigten in ersten Einschätzungen einen "sauberen Urnengang".

Gleichwohl wirft die Opposition den Behörden Wahlrechtsverstöße vor und kritisiert etwa, dass die Namen vieler Toter auf den Listen stünden. Der Weinunternehmer Lewan Gatschetschiladse, der unter den sechs Konkurrenten Saakaschwilis mit den meisten Stimmen rechnen kann, kündigte für den Fall eines Sieges des bisherigen Staatschefs neue Proteste an. "Wir hoffen, dass es ruhig bleibt, aber nach den Ausschreitungen im November ist alles möglich", sagt die Unternehmerin Lali in ihrem Reisebüro in Tiflis.

Ulf Mauder[dpa]

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