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Politik: Präsidentschaftswahl in Simbabwe: Mit Handzetteln und viel Mut gegen Mugabe - Die Opposition wird von Schlägertrupps der Regierung eingeschüchtert

Seit Wochen hat Didymus Munhenzva kaum geschlafen. Wenn die Sonne am Abend hinter den Kuppen der Berge versinkt und Dörfer wie Marondera in Dunkelheit taucht, kriechen der Oppositionskandidat und seine beiden Helfer in einen alten Pritschenwagen, den ihnen ein weißer Farmer geliehen hat.

Seit Wochen hat Didymus Munhenzva kaum geschlafen. Wenn die Sonne am Abend hinter den Kuppen der Berge versinkt und Dörfer wie Marondera in Dunkelheit taucht, kriechen der Oppositionskandidat und seine beiden Helfer in einen alten Pritschenwagen, den ihnen ein weißer Farmer geliehen hat. Stundenlang hoppeln sie dann im Schutz der Nacht über die kurvigen Staubstraßen im Herzen Simbabwes und werfen Wahlbroschüren vor die Strohhütten am Wege. "Allzu wirksam ist die Taktik natürlich nicht" gesteht der Lehrer, "aber was bleibt uns übrig? Anders erreichen wir die Menschen gar nicht."

Der Kandidat der Regierungspartei in der Region kann seine Kundgebungen hingegen ganz offen in Einkaufszentren und auf Dorfplätzen abhalten. Von Bäumen und Straßenschildern grüßt sein Konterfei. Geldsorgen kennt er nicht - anders als die Opposition erhält die regierende Zanu-PF staatliche Mittel. Didymus Munhenzva lebt hingegen in Angst. Er kann weder Kundgebungen abhalten noch das T-Shirt seiner "Bewegung für Demokratischen Wandel" (MDC/Movement for Democratic Change) offen tragen. Selbst beim Aufhängen von Postern läuft er stets Gefahr, den Schlägertrupps der Regierung in die Hände zu fallen.

Einmal ist ihm das bereits passiert: Als er zu Monatsbeginn für kurze Zeit nach Marondera eilte, um seine an Malaria verstorbene Nichte zu beerdigen, klopfte es kurz nach Mitternacht an der Tür seiner Behausung. Als er nicht aufmachte, brachen die ungebetenen Besucher kurzerhand die Tür mit einer Axt nieder. "Obwohl ich mit erhobenen Händen herauskam, schlugen sie ohne Vorwarnung auf mich ein", sagt er. "Dann zerrten sie mich in den Busch, um mich zu töten. Doch weil sie ihren Chef nicht finden konnten, ließen sie mich am Ende laufen." Didymus weiß von 12 weiteren Familien in seinem Wahlkreis, denen Ähnliches widerfahren ist. Anderen wurden die Hütten angezündet, die Wahldokumente verbrannt oder Rinder gestohlen.

Akkreditierung verweigert

Die Regierung hat Jugendbanden und frühere Buschkämpfer angeheuert, um ihre Opponenten gefügig zu machen. Die erste Niederlage an der Wahlurne seit der Unabhängigkeit Simbabwes vor 20 Jahren soll abgewendet werden. Die internationalen Wahlbeobachter, die genau diese Art des Terrors eigentlich stoppen sollten, trafen erst zu Wochenbeginn vereinzelt auf dem Lande ein - kaum fünf Tage vor dem wichtigsten Urnengang in Afrika in diesem Jahr. Der Hälfte wurde die Akkreditierung verweigert.

Während auf den Fernsehschirmen von Simbabwe die erste wirklich umkämpfte Parlamentswahl in 20 Jahren zu einem Wettstreit zwischen Präsident Robert Mugabe und seinem Herausforderer Morgan Tsvangirai erhoben wird, findet die eigentliche Schlacht jenseits von Kameras und Mikrophonen in den ländlichen Gebieten des afrikanischen Binnenstaates statt. Unbekannte Oppositionskandidaten wie Munhenzva mühen sich hier, vielfach unterstützt von weißen Farmern, ihre Botschaft trotz aller Einschüchterungsversuche unter das Volk zu bringen. Ausgebrannte Hütten, zertrümmerte Autos und abgefackelte Felder zeugen vom Ausmaß des Terrors, mit dem die Regierung dies zu verhindern sucht.

Seit Präsident Robert Mugabe Anfang März aus Sorge vor einer drohenden Niederlage seine Anhänger zur illegalen Besetzung der Höfe weißer Farmer drängte, sind 26 Anhänger der oppositionellen MDC getötet und Hunderte verletzt worden. Der Staatschef selbst hat seine Polizei ausdrücklich angewiesen, die Gerichtsurteile zur Räumung weißer Farmen zu missachten. Ein offener Aufruf zum Rechtsbruch also. In dem Wissen, dass er die Stadtbevölkerung längst an die Opposition verloren hat, kämpft Mugabe jetzt mit allen Mitteln um die ländlichen Gebiete, wo die Mehrheit der 5,1 Millionen registrierten Wähler lebt. Eingeschüchtert werden sollen auch die Geldgeber der Opposition: die Mittelklasse, die Lehrer, Ärzte und Anwälte.

Es ist vermutlich das letzte Gefecht des 76-jährigen Mugabe. Noch hängt in jedem Laden und Büro, in jedem Hotel und Restaurant ein Bild des Staatschefs mit strengem Blick, dicker Brille und der Unterschrift: Seine Exzellenz, der Präsident der Republik Simbabwe, Genosse Robert Gabriel Mugabe. Aber es wackelt bereits. Im Vorfeld der Wahl am Wochenende hat die Opposition dem Präsidenten bei einem Volksentscheid im Februar eine empfindliche Niederlage zugefügt. Mugabes Wunsch nach zusätzlichen Kompetenzen und einer Blankovollmacht zur entschädigungslosen Enteignung weißer Farmer wurde von den Wählern eine Absage erteilt. Es war es das erste Mal, dass Mugabe eine Wahl verlor. Seitdem greift er zur Gewalt, um seine Alleinherrschaft zu sichern.

Zahlreiche Menschenrechtsgruppen wie amnesty international haben seine Regierung bereits beschuldigt, die Angriffe auf die Opposition anzuzetteln oder zumindest zu tolerieren. Von Mugabe selbst wird dies bestritten. Allerdings hat inzwischen selbst er eingeräumt, dass der Ausgang der Wahl diesmal knapp werden könnte. Zum ersten Mal in den letzten 20 Jahren hat die Opposition in allen 120 Wahlkreisen Kandidaten aufgestellt. "Im Februar beim Referendum haben wir Mugabe die gelbe Karte gezeigt", frohlockt Oppositionsführer Morgan Tsvangirai. "Am Wochenende ist es Zeit für das rote Papier."

Munhenzva ist sich dessen nicht so sicher. Er befürchtet, dass viele Farmarbeiter aus Angst nun nicht zur Wahl gehen werden. Neben der Furcht ist auch der Aberglaube der Menschen auf dem Land tief verwurzelt. In den so genannten "Umerziehungslagern"der Regierung, die die Farmarbeiter zwangsweise aufsuchen müssen, wird ihnen immer wieder eingehämmert, dass die Regierung übernatürliche Kräfte besitzt und durch die Wahlurne hindurchsehen kann. Wer für die Opposition stimme, werde enttarnt und dafür später schwer bestraft, heißt es. Daneben wird den ungebildeten Menschen eingeschärft, dass ihr Stimmzettel nur dann gültig sei, wenn sie ihren Namen darauf schrieben.

Fluchtplan für den Notfall

Munhenzva selbst hegt nach den langen Wochen der Unsicherheit und Entbehrung die Hoffnung, nach den Wahlen endlich nach Hause zurückkehren zu können. Daran glauben will er aber noch nicht so recht. "Ich will nicht zu düster klingen, aber für den Notfall haben ich und meine Helfer bereits einen Fluchtplan." Besorgt schaut er längere Zeit aus dem Fenster der kleinen Hütte in die heraufziehende Nacht. "Simbabwe", sagt er schließlich, "wird heute von zwei Gefühlen beherrscht: Wut und Angst. Am Wochenende wird sich zeigen, welches der beiden größer ist."

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