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Politik: Premiere zum Fünfzigsten

Mit einem Großen Zapfenstreich feiert die Bundeswehr ihr Jubiläum – zum ersten Mal vor dem Reichstag

Berlin Der Gleichschritt und die Fackeln sind traditionell, der Ort ist neu und die Musik ein wenig ungewöhnlich. „Das ist die Berliner Luft, Luft, Luft“ gehört jedenfalls nicht zum klassischen Repertoire des Großen Zapfenstreichs. Das Zeremoniell für gehobene militärische Anlässe hat es sonst durchgängig mit dem Pathetischen. Aber Paul Linckes Hüpfmarsch lockert die Premiere wohl absichtsvoll auf. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte ist die Bundeswehr am Mittwochabend vor dem Reichstag zum Großen Zapfenstreich aufmarschiert. Das Zeremoniell deutscher Militärtradition, nach wie vor umstritten, bildet den Höhepunkt der 50-Jahr-Feiern der Armee.

Übrigens ein bei allem Aufwand, Vollsperrung des inneren Parlamentsviertels inklusive, beinahe beiläufiger Höhepunkt am Rande der Bildung einer neuen Regierung. Für Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) ist es einer der letzten Auftritte im Amt; beim Jubiläumsempfang im Paul-Löbe-Haus ist schon sein mutmaßlicher Nachfolger Franz Josef Jung (CDU) der von Kameras umlagerte Star. Draußen vor dem Reichstag nimmt Kanzler Gerhard Schröder in der Reihe der Vertreter der Verfassungsorgane von Bundespräsident bis Verfassungsgerichtspräsident die Zeremonie ab; in der ersten Tribünenreihe sieht seine Nachfolgerin Angela Merkel neben ihrem künftigen Vize Franz Müntefering zu.

Die Geburtstagsreden halten an diesem Tag andere: Der neue Hausherr im Bundestag, Norbert Lammert, und der Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer. „Chapeau, Respekt, großen Respekt“ bekundet der Nato-Chef auf Deutsch für die Bündnisarmee im weltweiten Einsatz und ihre Soldaten, die in aller Welt „die Werte hochhalten, die wir hier so schätzen“. Der Niederländer wirbt für das Sicherheitskonzept, das Struck die „Verteidigung am Hindukusch“ genannt hat. „Nato und Bundeswehr sind heute keine eurozentrischen Instrumente mehr“, sagt der Niederländer. „Sicherheitsvorsorge heißt Projektion von Stabilität.“

Der neue Bundestagspräsident hebt die Veränderungsbereitschaft der Armee hervor, als Ansporn und Vorbild für andere staatliche Institutionen: Für die Soldaten seien „Reformprozesse der Regelfall“. Und Lammert bekräftigt sehr entschieden eine Tradition, die die Bundeswehr von ihren Vorgängern grundlegend unterscheidet: Das Wesen als Parlamentsheer. „Wir, der deutsche Bundestag, wissen, dass wir uns auf diese Armee verlassen können“, sagt Lammert. „Und die Soldatinnen und Soldaten sollen wissen, dass sie sich auf uns verlassen können.“

Danach gratuliert sich draußen die Bundeswehr dann selbst zum Geburtstag, mit Fackelzug und Beethoven und dem „Yorkschen Marsch“, mit Paul Lincke und einem eigens komponierten Geburtstagsmarsch und „Helm ab zum Gebet“. Weit draußen vor der Absperrung sind rund 1500 Demonstranten aufgezogen. Aber Randale bleibt aus, und auch die Zeremonie selbst bleibt ungestört.

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