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Wahlsieger Francois Hollande

© AFP

Presseschau: So sieht Europa Hollandes Sieg

Zum ersten Mal seit 17 Jahren hat ein Sozialist die französische Präsidentschaftswahl gewonnen. "Hollande wird keine Revolution anzetteln", meinen die einen, "Hollande spielt mit dem Feuer", finden die anderen. Eine Presseschau.

Wie kommentiert die europäische Presse den Sieg François Hollandes? Sorgenvoll zeigt sich die konservative österreichische Tageszeitung "Der Standard": "Also eh kein Problem, dass Frankreich einen neuen, sozialistischen Präsidenten hat? Oh doch, schon ein Problem, ein großes Problem sogar. Denn mit François Hollande an der Spitze des französischen Staates wird jener Mix aus Austeritätsprogrammen und - durch kluge Steuerpolitik ermöglichten und erleichterten - Zukunftsinvestitionen, der jetzt nötig wäre, nicht stattfinden. Hollande glaubt fest daran, dass die Schuldenkrise durch noch mehr Schulden gelöst werden könne, wenn man das frisch gedruckte Geld nur möglichst direkt den Privatkonsumenten in die Hand drücke, statt es ihnen im Wege von Sparpaketen wegzunehmen. Der neue französische Präsident wird, ungeachtet der Tatsache, dass nicht einmal seine eigenen Anhänger ihm so etwas wie Charisma bescheinigen, sehr schnell zum neuen Säulenheiligen der europäischen Linken aufsteigen."

Auch die rechtsliberale dänische Tageszeitung "Jyllands-Posten" ist skeptisch: "Sollte er seine Wahlversprechen einlösen, wird Frankreich in einen wirtschaftlichen Morast einsinken, aus dem man sich nur noch ganz schwer wieder herausziehen kann." Andere glauben nicht, dass mit Hollande das Ende jeglicher Haushaltsdisziplin droht. Die liberale schwedische Tageszeitung "Dagens Nyheter" schreibt: „Das Ergebnis bedeutet einen Linksschwenk für ganz Europa, aber eben auch einen persönlichen Erfolg für Hollande. (...) Jetzt schlägt für ihn die Stunde der Wahrheit. Seine Anhänger werden sicher enttäuscht sein, aber Frankreichs neuer Präsident muss einen klaren Bescheid zum EU-Finanzpakt geben und verkünden, dass dessen Kern Bestand hat."

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Dass Hollandes Bestrebungen einer neuen Wachstumspolitik Europa sogar nutzen könnten, vermutet "De Standaard" aus Belgien: "Die Siegesparty der Sozialisten fand zwar bei der Bastille statt, aber Hollande wird keine Revolution anzetteln: Auch seine Regierung kann sich dem europäischen Stabilitätspakt nicht entziehen, trotz seiner Pläne für zusätzliche Ausgaben. Wenn es dem neuen Präsidenten gelingt, eine gute Zusammenarbeit mit Berlin zustande zu bringen (...), kann sein Wahlsieg durchaus eine positive Wirkung für Europa haben. Das zu einseitige Mantra für Einsparungen muss ergänzt werden durch eine konkrete Agenda für Wachstum in Europa."

Dass Wachstum gefördert werden müsse, findet auch die konservative britische Zeitung "The Times". Dennoch zeigt man sich sorgenvoll: "Hollande spielt mit dem Feuer. Besonders gefährlich ist seine Drohung, den Stabilitätspakt in Stücke zu reißen, der in diesem Jahr als Grundlage für die Rettung Griechenlands vereinbart wurde. Wer die Defizite durch erneute Ausgaben erhöht, statt zu sparen, nimmt in Kauf, dass steigende Kreditkosten direkte Auswirkungen auf den Lebensstandard haben. Merkel muss die neue politische Realität akzeptieren, Hollande muss die unveränderte wirtschaftliche Realität erkennen. Die EU-Regierungen müssen auch einsehen, dass der Abbau der Schulen zwar entscheidend, aber nicht genug ist: Es muss auch Wachstum gefördert werden."

Diskutiert wird auch, ob das Wahlergebnis ein Sieg Hollandes ist - oder bloß eine Niederlage Sarkozys. Die rechtsliberale spanische Zeitung "El Mundo" schreibt: "Die Wahl bedeutet wohl eher eine Niederlage von Nicolas Sarkozy als einen Sieg von François Hollande. Der amtierende Präsident hatte sich mit seinem Personenkult, seinem Hang zum Luxus und seinen schlechten Freunden bei den Franzosen in Misskredit gebracht. Ihm fehlte die Größe eines De Gaulle oder Mitterrand und die Glaubwürdigkeit eines Chirac."

So kommentiert die französische Presse den Wahlausgang

"Le Figaro", konservatives Flagschiff der französischen Presse, schreibt: "Jetzt wird also François Hollande Frankreich durch die gefährlichen Riffe einer gefährlichen Welt und eines krisengeschüttelten Europas lenken. Regieren bedeutet entscheiden und hauptsächlich Prioritäten setzen. Da müssen zunächst die öffentlichen Schulden eingedämmt und Wachstum gefördert werden. Es muss sofort klargestellt werden, dass Frankreich den europäischen Stabilitätspakt respektiert und bis 2013 das Defizit auf drei Prozent zurückschraubt. François Hollande wollte zu Recht dem Wachstum zusammen mit der Rückkehr zu einem ausgeglichenen Haushalt Priorität einräumen. Viele unserer Partner in Europa teilen diese Meinung, auch Angela Merkel. Allerdings muss man sich über die Voraussetzungen für dieses Wachstum einigen und die dafür erforderlichen Strukturreformen
akzeptieren."

Die linksliberale Pariser Zeitung "Libération" zeigt sich glücklich über den "schönen Monat Mai", der nun anbreche: "François Hollande muss jetzt dem Land Heilung bringen. Er muss die Gesellschaft erneuern und er muss die Ungleichheiten zwischen den Franzosen verringern, woher sie auch kommen.

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Um dies zu ermöglichen, muss er jedoch zuerst die Zukunft entwerfen. Er muss zeigen, dass Frankreich nicht nur aus Geschichte und einer glorreichen Vergangenheit besteht, sondern sich auch in die Zukunft versetzen und sich neu erfinden kann. Jetzt muss damit begonnen werden, dieses neue Blatt zu beschreiben, mit Entschlossenheit und Willenskraft, um das Vertrauensvotum nicht zu enttäuschen. Die Arbeit fängt gerade erst an und sie wird ab morgen hart sein. Doch heute können die Bürger glücklich sein und diesen schönen Monat Mai in tiefen Zügen genießen."

Die Zeitung "Le Républicain Lorrain" aus dem ostfranzösischen Metz erhofft sich vom Wahlsieg Hollandes auch neue Impulse für die EU: "Eine Seite ist umgeschlagen. Eine neue öffnet sich, und angesichts der Schwierigkeiten, die den neuen Präsidenten erwarten, ist sie nicht von vornherein geschrieben. (...)

Der sozialistische Kandidat hat über seine natürliche Wählerschaft hinaus auch die Stimmen jener gewonnen, die davon überzeugt sind, dass Sparpolitik allein keine Lösung ist, wenn sie nicht von Wachstum flankiert wird. (...) Der Sieg von François Hollande gibt den entscheidenden Anstoß für ein Umdenken in Europa. Die ersten Signale kamen gestern aus Berlin. Sie zeigen, dass die neue französische Präsidentschaft dabei ist, dem Umgang der EU mit der Krise neue Impulse zu geben."

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