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epa04890607 Greek Prime Minister Alexis Tsipras (R), followed by ministers, enters the Presidential Palace for a meeting with Greek President Prokopis Pavlopoulos in Athens, Greece, on 20 August 2015. Tsipras submitted his resignation to President Prokopis Pavlopoulos on Thursday night, after a televised statement in which he asked Greeks to give him a clear mandate in the upcoming national elections.New elections are to take place in Greece on 20 September, government sources announced 20 August 2015, adding that Tsipras will step down to make way for the new polls. EPA/IGOR TALAEVIC +++(c) dpa - Bildfunk+++

© dpa

Pressestimmen zu Griechenland: "Tsipras ist ein Fall, den die Politologen noch viel studieren werden"

Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras ist am Donnerstagabend zurückgetreten. Unter Umständen sieht die europäische Presse darin eine Chance.

"Frankfurter Allgemeine" (Deutschland):

"(...) Mit einer Neuwahl verlöre Griechenland zwar Zeit, das Land könnte aber Stabilität und Handlungsfähigkeit gewinnen. Entweder kann Tsipras die große Zustimmung für ihn in eine absolute Mehrheit für seine neue, vom Ballast der Linken Plattform befreite Syriza umwandeln, oder er geht mit der bürgerlichen Nea Dimokratia eine stabile Koalition ein. Letztlich haben die zwei größten Parteien in den vergangenen Jahren - unabhängig von ihrer ideologischen Verschiedenheit - eine ähnliche Politik betrieben."

„de Volkskrant“ (Niederlande):

„Im Oktober erfolgt die erste Evaluierung der griechischen Reformen und danach soll die nächste Summe aus dem 86 Milliarden Euro umfassenden Hilfspaket überwiesen werden. Dann soll auch über eine Schuldenerleichterung gesprochen werden, eine Bedingungen für den IWF, sich am Rettungsprogramm zu beteiligen. Vor allem Deutschland will diese Beteiligung. Die vorgezogenen Wahlen müssen diese Planung nicht durchkreuzen, vorausgesetzt dass danach eine neue proeuropäische Regierung die Reformabsprachen erfüllt. Dass es früher oder später Neuwahlen geben würde, war unvermeidlich. Denn das Sparpaket, dem die Regierung von Alexis Tsipras letztendlich zustimmte, um Griechenland in der Eurozone zu halten, steht im Widerspruch zu den Beteuerungen, mit denen er die Wahlen im vorigen Jahr gewonnen hatte.“

„De Telegraaf“ (Niederlande):

„Sollten die Wahlen jenen Parteien eine Mehrheit bescheren, die gegen Sparmaßnahmen sind, muss Europa fürchten, dass das griechische Gedöns wieder von vorn beginnt. Wenn die Wahlen aber eine Mehrheit für Parteien ergeben, die mit Europa zusammenarbeiten wollen, können endlich konkrete Schritten unternommen werden, um Griechenlands Probleme zu lösen. Europa muss deshalb auf den gesunden Menschenverstand der griechischen Bevölkerung setzen und hoffen, dass es zu einer pro-europäischen Regierung kommt.“ 

"Le Monde" (Frankreich):

„Die Finanzminister der Eurozone haben am Mittwoch ein erstes Hilfspaket von 23 Milliarden Euro für Griechenland bereitgestellt, und am Donnerstag konnte Athen der Europäischen Zentralbank (EZB) die fällige Schuld von 3,4 Milliarden Euro zurückzahlen. In diesem Stabilisierungsprozess gibt es noch viele Hindernisse. (Ministerpräsident Alexis) Tsipras kann mit seinem wagemutigen Plan scheitern, durch vorgezogene Wahlen im September eine stabilere parlamentarische Mehrheit zu erreichen. Doch im Augenblick sind die warnenden Stimmen in Europa verhallt. Gesiegt haben die verantwortungsbewussten führenden Politiker Europas. In Athen und Brüssel kann man dies nur begrüßen.“

„Corriere della Sera“ (Italien):

„Der schlimmste Sommer, der der letzte für unseren Entwurf von Europa hätte sein können, endet besser als gedacht. Eine Jahreszeit, die damit begonnen hat, dass die EU in Scherben lag und die gemeinsame Währung zum ersten Mal für nicht unumkehrbar erklärt wurde, endet mit der Chance auf politischen Wiederaufbau und wirtschaftliche Erholung, wenn auch noch sehr schwach. Eine Gelegenheit, die es nicht zu verpassen gilt. Vor zwei Monaten hat man auf Griechenland geguckt wie auf einen wackeligen Dominostein, der die gesamte Struktur Europas zum Einsturz hätte bringen können. Und man hat auf Deutschland geschaut wie auf einen Vampir, gierig auf das Blut der anderen.

Aber seitdem ist etwas geschehen. Angela Merkel hat es geschafft, dass der Bundestag neuen Hilfen für Athen zustimmt. Und Tsipras hat, nach seinem gedankenlosen Frühling und dem Risiko des Referendums, zur Kenntnis genommen, dass seine Regierung Mehrheit und Politik geändert hat und er hat konsequent Neuwahlen ausgerufen. Er ist bereit, den langen Weg der Genesung weiterzugehen, der sich trotz seiner Schwierigkeiten als der einzig mögliche erwiesen hat.“

"El Mundo" (Spanien):

„Der Rücktritt von Tsipras nach sieben Monaten im Amt bestätigt, dass populistische Versprechungen nicht realisierbar sind und für ein Land katastrophale Folgen haben. Mit seinem Amtsverzicht erkennt der griechische Regierungschef an, dass sein Programm, mit dem er die Wähler verführt hatte, nicht anwendbar ist. Zugleich räumt er sein persönliches Scheitern ein, denn die aktuelle Lage des Landes ist die Folge seines unbeholfenen Verhandlungsstils. Tsipras behauptet, das Land gerettet zu haben. Dabei verschlimmerte er  mit seiner Amtsführung die Lage nur. Die Arroganz, die er und sein Ex-Finanzminister Gianis Varoufakis an den Tag legten, und der Versuch, die Ansetzung eines Referendums als ein Mittel der Erpressung zu nutzen, brachten die EU-Partner zur Verzweiflung.“

„Público“ (Portugal):

„Tsipras ist ein Fall, den die Politologen an den Universitäten noch viel studieren werden. Der griechische Regierungschef kandidierte mit einem radikalen Anti-Spar-Programm, er wurde gewählt und ließ im Parlament dann ein Paket von Maßnahmen verabschieden, die genau das Gegenteil seiner Versprechen darstellten. Dennoch ist er weiterhin populär - und das in einem Land, in dem die Leute nicht einmal frei über ihre Bankguthaben verfügen können. Der Grund: Die Griechen haben das Gefühl, dass Tsipras die Interessen des Landes bis zum Äußersten verteidigte. In den Verhandlungen mit den Geldgebern trieb er die Spannung bis zum Äußersten und ließ sich erst fünf Minuten nach zwölf Uhr auf eine Einigung ein. Diese Haltung schätzen die Griechen.“

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