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Mehr Frauen in der Führungsebene ist nicht gleichbedeutend mit Kaffeekränzchen. Ihre diplomatischen Fähigkeiten bereichern die Firmenleitungen.

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Pro und Contra: Brauchen wir eine Frauenquote?

Die EU-Kommissarin Viviane Reding will europäische Firmen gesetzlich dazu zwingen, Frauen in Führungspositionen zu bringen. Ob eine gesetzliche Quote sinnvoll ist, ist umstritten.

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In keinem anderen europäischen Land ist das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern so groß wie in Deutschland. Vollzeitbeschäftigte Frauen verdienen durchschnittlich 21,6 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen, teilte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am Montag mit. In den 34 Industriestaaten, die sich in der OECD zusammengeschlossen haben, sind es im Schnitt 16 Prozent. In Norwegen bekommen Frauen nur 8,4 Prozent weniger.

„Auch was die Anzahl der Frauen in Führungspositionen angeht, ist Deutschland im internationalen Vergleich weit abgeschlagen“, beklagt die OECD. „Auf kaum vier von hundert Vorstandsposten findet sich hierzulande eine Frau.“ Im OECD-Schnitt liegt die Frauenquote in Aufsichtsräten bei zehn Prozent. Den höchsten Anteil an Führungspositionen gibt es in Norwegen, das 2006 eine Frauenquote von 40 Prozent eingeführt hat. Auch in Schweden, Frankreich, Finnland und der Slowakei ist der Anteil von Frauen im Topmanagement mit 15 bis 20 Prozent vergleichsweise hoch.

Brauchen wir in Deutschland eine Frauenquote?
Brauchen wir in Deutschland eine Frauenquote?

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Viele Ländern versuchen, per Gesetz mehr Frauen in Vorstandsetagen zu bringen. Auch die EU-Kommission drohte großen Unternehmen mit einer verbindlichen Frauenquote. „Ich mag keine Quoten. Aber ich mag sehr, was sie bewirken. Und vielleicht ist es nötig, das zu tun, was Quoten tun“, sagte Grundrechte-Kommissarin Viviane Reding am Montag in Brüssel. Noch in diesem Sommer könnte Reding Gesetzesvorschläge für eine europaweite Vorgabe für das Topmanagement von Konzernen machen. (rtr/dpa)

Pro: Es braucht neue Strukturen

Wenn junge Frauen heute sagen, sie brauchen keine Quote und eigentlich auch keine Karriere, dann klingt das ungefähr so, als hätte ein DDR-Bürger gesagt: Was brauche ich eine Reisefreiheit, ich mache ohnehin am liebsten Ferien an der Ostsee. Frauen sollten die gleichen Chancen haben wie Männer, und Fakt ist nun einmal, dass dies nicht der Fall ist. Sicher, viele Frauen wollen gar nicht in die Chefetagen, denn sie wollen meist auch Kinder, und beides ist schlecht vereinbar. Und genau das ist diskriminierend. Ein Quote würde die Unternehmen zwingen, der Diskriminierung durch andere Arbeitsmodelle endlich ein Ende zu setzen.

Es gibt heute zwar mehr Teilzeitjobs als noch vor 20, 30 Jahren. Oberhalb einer bestimmten Karrierestufe ist aber nach wie vor meist Schluss. Da heißt es: Diese Aufgabe erfordert vollen Einsatz, sprich 150 bis 200 Prozent, permanente Verfügbarkeit auch abends und am Wochenende. Als ob zwei, die sich den Job teilen, das nicht viel besser hinbekommen würden.

Man kann auch volkswirtschaftlich argumentieren: Deutschland fehlen Fachkräfte und Kinder. Deshalb können wir es uns nicht leisten, auf das wirtschaftliche Potenzial von Frauen zu verzichten, aber eben auch nicht darauf, dass Frauen Kinder gebären. Wer beides haben will, der muss die Arbeitswelt familienfreundlicher gestalten. Das haben die männlich dominierten Chefetagen bisher einfach nicht hingekriegt.

Weibliche Chefs allein werden das Problem sicher nicht lösen. Jedenfalls nicht, wenn sie sich den alten Strukturen anpassen, auf Kinder verzichten oder deren Erziehung anderen überlassen. Langfristig gibt es nur einen Ausweg: Eltern in die Chefetagen. Nur Führungskräfte – Frauen wie Männer –, die selbst beides wollen, arbeiten und erziehen, werden neue Modelle nicht nur predigen, sondern auch umsetzen.

Der Weg dahin führt über die Frauenquote. Denn es gibt zwar auch viele Männer, die mehr Zeit für die Familie wollen. Doch die müssen gegen noch mehr Widerstände ankämpfen als ihre Kolleginnen. Das trauen sich unter diesen Bedingungen nur wenige. Ulrike Scheffer

Contra: Es braucht keine Quotenfrauen

Die Schwachen brauchen unsere Hilfe! Namentlich: Alte, Behinderte, Migranten – Frauen auch? Ich zumindest möchte mich in dieser Aufzählung nicht eingereiht wissen. Eine Frauenquote für Unternehmen wäre die eigentliche Diskriminierung. Immerhin sind wir Dank Alice Schwarzer und Co. heute so weit, dass eine Unterscheidung von Männlein und Weiblein jenseits der Sanitäranlagen im Alltag nicht mehr vonnöten ist. Sicher ist es bedauerlich, dass Wirtschaftsvorstände und Aufsichtsräte im Land deutlich männerdominiert sind. Wir haben tolle Frauen! Zu bezweifeln ist aber, ob die alle mit scharrenden Hufen im Wartestand stehen, um endlich Chefin zu werden, wenn man sie lässt.

Womöglich sind Führungsjobs aus Sicht vieler Frauen gar nicht reizvoll. Sind Frauen schlichtweg weniger machtgeil, müssen nicht erst ein Dutzend Menschen im Organigramm unter sich haben, um sich wertvoll zu fühlen. Die meisten Frauen wissen, was sie können. Und sie ziehen ihre Befriedigung aus anderen Dingen. Wenn jemand für sich entscheidet, dass er lieber mehr Stunden mit seinen Kindern oder einem guten Buch verbringen möchte, statt in den Flugzeugen und Konferenzsälen dieser Welt, finde ich das nachvollziehbar. Das Modell Karrieremensch ist einfach stark überholungsbedürftig. Wo Erfolg an ein möglichst hohes Quantum von Anwesenheit im Büro gekoppelt ist, verschenkt ein Land die Chance, Menschen einzubinden, die mehr vom Leben wollen.

Was fehlt, sind flexible Arbeitszeiten, höhere Gehälter für Frauen und ein familienfreundliches Berufsumfeld. Andernfalls würden wohl viele Frauen das Projekt Chefetage energischer angehen. Schön blöd das Unternehmen, das dafür nichts unternimmt: Frauen bringen andere Qualitäten in einen Beruf ein als Männer. Sie haben das bessere Gespür für Stimmungen, für Zwischenmenschliches, sie sind diplomatischer und anpassungsfähiger – auch disziplinierter. All das sind Gründe, weshalb zahlreiche Frauen um uns herum bereits Führungskräfte geworden sind. Niemand sollte den ausgebooteten Männern die Chance lassen, diese Frauen als Quotenfrauen zu belächeln. Maris Hubschmid

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