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Proteste in Ägypten: Welche Strategie verfolgt der Westen?

Die USA und die EU wollen, dass Hosni Mubarak sein Amt jetzt und nicht erst im September aufgibt. Welche Strategie verfolgen sie?

Hauptschauplatz der Unruhen ist Ägypten. Politisch aber wird der Kampf um einen Regimewechsel in der arabischen Welt auch in anderen Staaten und internationalen Organisationen ausgetragen. Vor allem die USA spielen eine zentrale Rolle. Aber auch auf dem EU-Gipfel in Brüssel war der Aufstand in Ägypten ein zentrales Thema.

Welchen Plan verfolgen die USA?

Bisher verfolgte Amerika die Geschehnisse in Ägypten mit einer gewissen Ruhe und Vorsicht. Auf Ägyptens Präsident Hosni Mubarak haben die USA nur moderaten Druck ausgeübt. In einem ersten Telefonat mit Mubarak zu Beginn der Proteste forderte US-Präsident Barack Obama ihn auf, seinen vagen Reform-Versprechungen Taten folgen zu lassen. Eine Rücktrittsaufforderung hat Obama offiziell noch nicht ausgesprochen.

Das hat seine Gründe: Ägypten ist für die Amerikaner ein wichtiger Verbündeter im Nahen Osten, auf den man seit drei Jahrzehnten baut. Mit dem Friedensvertrag mit Israel und dem Kampf gegen das Terrornetzwerk Al Qaida unterstützt Ägypten den US-Nahost-Kurs. Dem Partner nun von heute auf morgen den Rücken zu kehren und einen sofortigen Rücktritt zu fordern, wäre ein gefährliches Signal an andere Verbündete der USA.

Jetzt aber bringt sich Washington etwas aktiver ein. Die Regierung um Präsident Obama verhandelt nach Informationen der „New York Times“ direkt mit der ägyptischen Regierung über einen sofortigen Abgang von Mubarak. Der solle die Macht zunächst an seinen Vizepräsidenten Omar Suleiman abtreten, der wiederum unterstützt vom ägyptischen Militär Stabilität bringen und freie Wahlen im Sommer vorbereiten solle.

Laut den Plänen würde Suleiman direkt von Generalleutnant Sami Enan, dem Oberbefehlshaber der ägyptischen Armee, und von Verteidigungsminister Feldmarschall Mohamed Tantawi unterstützt werden. Eine grundlegende Reform samt Verfassungsänderung könnte direkt eingeleitet werden. Dabei sollen alle Oppositionsparteien, inklusive der bislang verbotenen Muslimbrüder, am Prozess beteiligt werden.

Neben Präsident Obama sind auch andere hochrangige US-Politiker mit der Lage in Ägypten beschäftigt. Vizepräsident Joe Biden hat am Donnerstag mit seinem Amtskollegen Suleiman telefoniert und „glaubwürdige, umfangreiche Reformen“ diskutiert. Verteidigungsminister Robert Gates steht in Kontakt zu Tantawi, der die USA bereits im Golfkrieg von 1991 unterstützt hat. Mubarak trotzt aber bislang dem verstärkten Auftreten der Amerikaner. Er verweigerte ein zweites Treffen mit Obamas Emissär Frank Wisner, einem Ex-US- Botschafter in Kairo und persönlichen Freund Mubaraks.

Die Lage in Ägypten birgt auch innenpolitisches Konfliktpotenzial für Obama. Noch gibt es kaum nennenswerte Angriffe der Republikaner. Sollten sich in Ägypten am Ende aber die Islamisten durchsetzen, wird Obama schwer in die Kritik geraten. Auch innerhalb seines eigenen politischen Lagers ist sein Kurs nicht ganz unumstritten. Am Dienstag soll es im Lagezentrum des Weißen Hauses zu einer hitzigen Diskussion über die Haltung der USA gegenüber Ägypten gekommen sein. Einige plädierten für mehr Druck auf Mubarak, andere, wie US-Außenministerin Hillary Clinton warben für Zurückhaltung. Zwischen diesen Polen muss Obama handeln.

Welche Rolle spielten die Ereignisse in Ägypten auf dem EU-Gipfel?

Der mögliche Beginn einer neuen Zeitrechnung im arabischen Raum hat beim EU-Gipfel sogar die Eurokrise ein wenig in den Hintergrund rücken können. Schon als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) das Brüsseler Ratsgebäude betrat, forderte sie, dass „die ägyptischen Sicherheitskräfte an diesem entscheidenden Freitag dafür sorgen müssen, dass freie und friedliche Demonstrationen für die Menschen möglich sind“. Hinterher schob die Kanzlerin noch den Satz nach, sie werde mit den Kollegen besprechen, „wie die Europäische Union Partner beim geordneten, demokratischen Übergang sein kann“.

Dem sozialdemokratischen Fraktionschef im Europaparlament, Martin Schulz, ist das Auftreten gegenüber der Regierung unter Präsident Hosni Mubarak entschieden zu weich. „Die Gipfelteilnehmer scheinen die einfache Option zu wählen, indem sie nur die Gewalt verurteilen“, beklagte der Deutsche, „sie müssen rigoroser sein und Mubarak klarmachen, dass es Europa nicht toleriert, dass er sich verzweifelt an sein Amt klammert.“

Tatsächlich haben sich die Regierungen erst am Montag, beim Treffen der 27 Außenminister, darauf verständigt, dass sie Präsident Mubarak nicht länger unterstützen. Die dort gefundene Sprachregelung vom „geordneten, demokratischen Übergang“, den die EU fordert, sagt aber nichts über die Geschwindigkeit aus, mit der dieser vonstatten gehen soll. Bisher hat Mubarak nur zugestanden, bei den Wahlen im Herbst nicht mehr antreten zu wollen.

Es liegt diesmal weniger an der mangelnden Einigkeit der Union, sondern eher an der Schwäche ihrer Botschaft, dass „kein deutliches europäisches Auftreten zu erkennen“ sei, wie auch der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber bemängelt: „Ich höre die außenpolitische Stimme Europas nicht.“ Nicht nur seine Kritik richtet sich dagegen, dass die Unterstützung der demokratischen Opposition auf den Straßen nicht vorbehaltlos ist. „Die EU muss klarer sagen: Mubarak muss weg“, fordert die außenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Europaparlament, Franziska Brantner. Zudem müsste ein Sondergesandter für Ägypten ernannt werden, „der für uns vor Ort ist und dort mitgestaltet“. Auch Gelder müssten eingefroren werden – analog zu Tunesien. Davon war in Brüssel aber nicht die Rede.

Bei der Ursachenforschung für das vermeintlich zu zögerliche Agieren landen viele Europaparlamentarier bei der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton. Zwar hat sie nach einem Jahr im Amt Anfang Dezember mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst auch eine Behörde bekommen, die ihr zuarbeitet, die Kritik an ihrer mangelnden Initiative jedoch bleibt. „Seit es keine rotierenden Ratspräsidentschaften mehr gibt“, so die Grüne Brantner, „ergreift keiner mehr die Initiative. Ashton hört immer nur zu.“

Der EU-Gipfel konnte daher am Freitag auch nur Ashtons Absicht begrüßen, „Tunesien und Ägypten zu besuchen, um mit allen betroffenen Parteien Gespräche zu führen“. Zudem wurde die Britin damit beauftragt, „ein Paket von Maßnahmen zu schnüren, mit denen die Europäische Union die Prozesse des Übergangs und des Wandels unterstützt“. Das sind vor allem Programme aus dem gut gefüllten Topf der EU-Nachbarschaftspolitik. Dass sich die 27 Staats- und Regierungschefs in Brüssel nicht auf weitergehende Ansagen verständigten, liegt in der Sorge begründet, dass die gesamte Region im Chaos versinken könnte, wenn der Übergang eben nicht geordnet abläuft.

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