zum Hauptinhalt

Proteste: Ziviler Ungehorsam in Georgien

Die Opposition in Georgien erhöht den Druck: Rücktritt von Staatschef Michail Saakaschwili binnen 24 Stunden oder landesweite Aktionen zivilen Ungehorsams – mit dieser Forderung endete am Donnerstag ein Protestmeeting in der georgischen Hauptstadt Tiflis.

Die Organisatoren sprachen von über 170 000 Teilnehmern, das Innenministerium kam auf maximal 25 000. Mehr zählten auch Berichterstatter nicht. Saakaschwili ging daher schon Stunden vor Ablauf des Ultimatums zum Gegenangriff über: Er und die Regierung hätten „weitreichende Pläne für die Zukunft“ und würden die Legislaturperiode bis zum Ende 2012 durchstehen. Auch das Parlament, wo seine Vereinte nationale Bewegung über eine satte Mehrheit verfügt, sprang dem schwer angeschlagenen Präsidenten bei: Vorgezogene Neuwahlen werde es nicht geben. Allerdings seien die Volksvertreter zu einem Dialog mit der Opposition „zu brisanten Problemen“ bereit.

Dabei hatten unabhängige Beobachter in Tiflis wie in Moskau Georgiens Opposition vor Verhandlungen ausdrücklich gewarnt: Saakaschwili habe Einheit und Geschlossenheit seiner Gegner schon des Öfteren dadurch verhindert, dass er bei Konsultationen scheinbar auf Teile des Forderungskatalogs einer der rivalisierenden Gruppierungen der Opposition einging, andere dagegen ignorierte. Mit diesen Rivalitäten erklärt Sergej Michejew, ein Südkaukasusexperte, dass die Opposition bisher eher chaotisch und unentschlossen vorgeht. Fazit: Das größte Hindernis für den Machtwechsel sei die Opposition.

Ganz schief legt er damit nicht: Keine der drei Gruppierungen, aus denen – grob vereinfacht – die georgische Opposition besteht, konnte sich bisher eine überzeugende Mehrheit organisieren. Das zeigte sich bereits bei den vorgezogenen Präsidentenwahlen im Januar 2008, als der Unternehmer Lewan Gatschetschiladse, der für die so genannte Vereinigte Opposition – eine Allianz aus neun Parteien – antrat, weniger als 30 Prozent einsammelte. Obwohl Amtsinhaber Saakaschwili politisch bereits schwer angeschlagen war.

Neben Gatschetschiladse beanspruchen auch Ex-UN-Botschafter Irakli Alassanija und Ex-Parlamentschefin Nino Burdschanadse die Führung der Opposition. Sie sind ehemalige Kampfgefährten von Saakaschwili, die nach der „Revolution der Rosen“ hohe und höchste Staatsämter übernahmen. Enttäuscht von den Demokratiedefiziten und der schwacher Vorstellung ihres vermeintlichen Hoffnungsträgers, gehören sie mittlerweile zu seinen schärfsten Gegnern.

Auch der Westen verfolgte mit Entsetzen, wie sich der vermeintliche Demokrat zum Despoten mauserte, und würde als Nachfolgerin gern die moderate Burdschanadse installieren. Zumal diese auch für Moskau das kleinste Übel ist. Es dürfte bei Planspielen bleiben. Denn die Georgier haben ihr nicht verziehen, dass sie Saakaschwili den Rücken stärkte, bis dieser versuchte, sie im Vorfeld der Parlamentswahlen im Mai matt zu setzen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false