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Protestwelle: Iran droht mit Ausweisung der Diplomaten

Iran berät über drastische Maßnahmen: Erst wurden Journalisten festgenommen, nun müssen westliche Botschafter möglicherweise das Land verlassen. Angeblich unterstützen sie Opposition, Anarchie und Vandalismus.

Die iranische Regierung wirft den westlichen Mächten vor, den "Randalierern" bei den Straßenprotesten gegen das Wahlergebnis zu helfen. "Die Unterstützung von Anarchie und Vandalismus durch westliche Mächte und Medien ist in keiner Weise hinnehmbar", sagte der Sprecher des Außenministeriums, Hassan Kaschkawi, in Teheran.

Er schloss die mögliche Ausweisung von Botschaftern aus einigen europäischen Ländern nicht aus. Über diese drastische Maßnahme werde derzeit in seinem Haus sowie im Parlament beraten. Die iranische Regierung bezeichnet die Wiederwahl des ultrakonservativen Präsidenten Mahmud Ahmadineschad als innere Angelegenheit und hat sich jeglichen Kommentar des Westens verbeten.

Kaschkawi sagte weiter, bei Protesten im Ausland seien diplomatische Vertretungen seines Landes beschädigt worden, darunter auch in Deutschland. "Wir glauben nicht, dass jemand ohne vorherige Unterrichtung der Regierung und der Polizei ein diplomatisches Zentrum angreifen kann."

Der Parlamentspräsident Ali Laridschani hatte am Sonntag eine Überprüfung der Beziehungen vor allem zu Großbritannien, Deutschland und Frankreich gefordert – all jenen Staaten, die im Streit um das iranische Atomprogramm die Verhandlungen für die EU führen. Die drei europäischen Regierung haben sich hinter die iranische Opposition gestellt, die sich für eine Wiederholung der Präsidentenwahl einsetzt, und Demonstrationsfreiheit gefordert.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Sonntag eine Neuauszählung der Stimmen bei der umstrittenen Präsidentenwahl verlangt. "Deutschland steht auf Seiten der Menschen im Iran, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit ausüben wollen." Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte: "Der Iran steht am Scheideweg. Entweder gelingt es jetzt, im Dialog aller politischen Kräfte die entstandene Situation wieder zu entschärfen, oder die Lage droht weiter zu eskalieren."

Dennoch sieht das Auswärtige Amt in Berlin gegenwärtig davon ab, in Iran lebende Deutsche angesichts der sich zuspitzenden Lage zur Ausreise aufzufordern. Dies gelte auch für die Familienangehörigen deutscher Diplomaten in Teheran, sagte ein Ministeriumssprecher. Die Lage werde aufmerksam beobachtet, und es erfolge eine enge Abstimmung mit den Partnern.

Anders Großbritannien, das angesichts der anhaltenden Proteste und Ausschreitungen die Angehörigen seiner Diplomaten aus Iran abzieht. Die Gewalt habe auch Auswirkungen auf das Leben der Familien, teilte das Außenministerium am Montag in London mit.

US-Präsident Barack Obama rief die Regierung in Teheran dazu auf, "alle gewalttätigen und unberechtigten Handlungen gegen die Menschen im eigenen Land zu stoppen". Der britische Außenminister David Miliband sagte, ausländische Mächte hätten keinen Anteil an den gewaltsamen Protesten, die nach der Präsidentenwahl in der Islamischen Republik ausgebrochen waren.

Ahmadineschad warnte die westlichen Staaten vor einer Einmischung in die inneren Angelegenheiten Irans. Obama und den britischen Premierminister Gordon Brown forderte er auf, ihre "interventionistische Haltung" zu korrigieren. Mit ihren "voreiligen Kommentaren" gehörten sie nicht zu den Freunden der Iraner, zitierte die Nachrichtenagentur ISNA Ahmadineschad.

Die iranischen Behörden haben die Möglichkeit ausländischer Berichterstatter stark eingeschränkt. Die Zahl der Journalisten, die seit Beginn der Proteste festgenommen wurden, hat sich am Wochenende deutlich erhöht. Wie die internationale Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) am Sonntag in Paris mitteilte, sitzen mittlerweile 33 Reporter und Internet-Blogger hinter Gittern. Damit hat sich die Zahl der Festgenommenen seit Freitag nahezu verdoppelt. "Der Iran ist jetzt das weltgrößte Gefängnis für Medienvertreter", hieß es in einer Mitteilung der ROG.

Unter den zuletzt Festgenommenen ist den Angaben zufolge auch der Chef der Vereinigung iranischer Journalisten, Ali Mazroui. Wie das US-Nachrichtenmagazin Newsweek mitteilte, wurde auch sein Reporter in Iran, der Kanadier Maziar Bahari, am Sonntag in Teheran ohne Angabe von Gründen festgenommen. Der Korrespondent der britischen BBC, Jon Leyne, wurde von den iranischen Behörden aufgefordert, das Land zu verlassen.

ZEIT ONLINE, dpa, Reuters, raw

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