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Der Eingang zum Haus in Hamburg-Mümmelmannsberg, in dem Yaya bei ihren Eltern lebte.

© dpa

Prozess wegen Kindsmord: Das Martyrium der kleinen Yagmur

In Hamburg beginnt am Mittwoch der Prozess um den Tod der dreijährigen Yagmur. Der Mutter wird Mord vorgeworfen. Inzwischen ist auch eine Debatte über das Behördenversagen in der Hansestadt entbrannt.

Das Schicksal voller Gewalt und Misshandlungen der dreijährigen Yagmur, das im Vorjahr kurz vor Weihnachten mit dem Tod endete, hat über Hamburg hinaus die Menschen schockiert. Ein halbes Jahr später beginnt nun am heutigen Mittwoch vor dem Landgericht der Prozess wegen Kindstötung gegen die leiblichen Eltern. Der Mutter wird von der Staatsanwaltschaft wegen besonderer Grausamkeit Mord vorgeworfen. Der Vater muss sich wegen Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen verantworten. Seit März beschäftigt sich auch ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit dem Fall. Denn das Mädchen und die Eltern standen seit Yagmurs Geburt unter der Aufsicht verschiedener Jugendbehörden.

Eine ungeheure Brutalität wurde offensichtlich

Das Drama im Stadtteil Billstedt wird nun erstmals juristisch aufgearbeitet. Die Untersuchung des Leichnams hatte eine ungeheure Brutalität offenbart, mit der das kleine Mädchen traktiert wurde. Es verblutete an den Folgen eines Leberrisses. Mehr als 80 Blutergüsse und Abschürfungen wurden festgestellt, dazu ein kaum verheilter Armbruch. Blaue Flecken durch Misshandlungen wurden bei dem Mädchen offenbar mehrmals überschminkt. Im Kinderzimmer fanden Ermittler mehrere Kühlakkus.

Nach den ersten Ermittlungen hatte der Vater als Haupttäter gegolten – er wurde wohl auch von der Mutter belastet. Im April erhob die Staatsanwaltschaft dann aber überraschend Mordanklage gegen die Mutter. Die Eltern streiten alle Vorwürfe ab. 22 Verhandlungstage hat das Gericht zunächst anberaumt.

Erschreckend wie entlarvend fallen die bisherigen Erkenntnisse des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses aus. Yagmur war wieder zurück in die Obhut ihrer Eltern gegeben worden, obwohl es Indizien für häusliche Gewalt gegeben hatte. Verschiedenen Stellen hatten offenbar versagt: Soziale Dienste handelten nicht, wie es notwendig gewesen wäre. Die Staatsanwaltschaft reagierte nicht auf Berichte über Misshandlungen. Auch eine über den Fall voll informierte Familienrichterin bewertete die Lage falsch. Bedingt durch Umzüge waren nacheinander drei verschiedene Bezirksjugendämter mit den Vorgängen beschäftigt. Die Aktenübergabe hatte nicht funktioniert. In dem Moment, wo reagiert hätte werden müssen, passierte nichts – gerade vor dem Hintergrund bereits vergangener Todesfälle in Hamburg und einer breiten Diskussion um einen defizitären Kinderschutz ein Fehler mit fatalen Folgen.

Die SPD will vor der Bürgerschaftswahl politisch reagieren

Die Beschäftigten in der Jugend- und Familienarbeit sehen sich zu Unrecht mit Vorwürfen konfrontiert. Sie verweisen ähnlich wie Gewerkschaftsvertreter auf unzumutbare Arbeitsbedingungen. Mit Matthias Stein, dem Leiter des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) im Bezirksamt Eimsbüttel, hatte in der Vorwoche erstmals ein verantwortlicher Vorgesetzter in der Befragung des Untersuchungsausschusses den Mut gefunden, schonungslos über die Mängel in seinem Arbeitsbereich zu berichten. Zu viele dokumentarische Aufgaben bei einem zu komplizierten und zum Teil auch nicht funktionierenden IT-System und zu viele Fallbearbeitungen pro Mitarbeiter nannte er als Probleme. Ferner klagte er über einen hohen Krankenstand und eine häufige Personalfluktuation, was immer wieder neue Einarbeitungsprozesse nach sich ziehe. Sein katastrophales Fazit: „Das Jugendamt ist nicht arbeitsfähig.“ Er forderte einen „radikalen Kurswechsel“.

Nach dieser Aussage reagierte Sozialsenator Detlef Scheele (SPD). Rund acht Monate vor der nächsten Bürgerschaftswahl möchten die Sozialdemokraten auf diesem Themenfeld nicht als untätig dastehen. Daher versprach der Senator die Bewilligung von 26 neuen ASD-Stellen.

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