zum Hauptinhalt
Gut oder schlecht? Die Krankenkassen wollen Erfahrungen der Patienten nutzen. Die Ärzte sind weniger erfreut.

© dpa

Prüfender Blick: Patienten sollen Ärzte bewerten

Gemeinsam mit der Bertelsmann-Stiftung und den Dachverbänden der größten Patienten- und Verbraucherorganisationen starteten die Kassenriesen AOK und Barmer GEK am Dienstag im Internet ein Bewertungsportal für niedergelassene Mediziner.

Berlin - Bei den Medizinern hält sich die Begeisterung in Grenzen. Es sei offenbar „unvermeidlich gewesen, dass so was kommt“, sagte Berlins Ärztekammerpräsident Günther Jonitz. Zwar sei im Gesundheitswesen Transparenz überaus wichtig. Man werde aber schnell merken, dass eine Bewertung von Ärzten durch die Patienten über die wirkliche Behandlungsqualität nicht viel aussage.

Die Krankenkassen dagegen preisen ihr Projekt als entscheidenden „Baustein für mehr Qualität“ in der ärztlichen Versorgung. Ab sofort nämlich ist in Deutschland bei der Suche nach einem guten Arzt keiner mehr auf Tipps aus dem Bekanntenkreis angewiesen. Gemeinsam mit der Bertelsmann-Stiftung und den Dachverbänden der größten Patienten- und Verbraucherorganisationen starteten die Kassenriesen AOK und Barmer GEK am Dienstag im Internet ein Bewertungsportal für niedergelassene Mediziner. Darin können dann nicht nur die rund 30 Millionen Versicherten beider Kassen ihre Erfahrungen mit Ärzten weitergeben. Genutzt werden können die Ergebnisse von allen – also auch von denen, deren Versicherer sich (noch) nicht am sogenannten Arzt-Navigator beteiligen.

93 Prozent der Deutschen besuchten mindestens einmal pro Jahr einen Arzt und 40 Prozent würden gar in mehr als vier Arztpraxen vorstellig, sagte der Vizevorsitzende der Barmer GEK, Rolf-Ulrich Schlenker. „Es gibt keinen größeren Erfahrungsschatz, und wir wollen ihn heben.“ Der Navigator sei ein „wunderbares Werkzeug“ zur Patientenorientierung: nicht- kommerziell, wissenschaftlich begleitet, manipulationssicher und datengeschützt. Auch die Ärzte, die dem von der AOK angestoßenen Projekt mit heftigem Protest begegneten, könnten profitieren, betonte Jürgen Graalmann vom AOK-Bundesverband. Sie erhielten so schließlich „systematisches Feedback“ und Hilfe für internes Qualitätsmangement.

Das Portal richte sich „an die Patienten, aber nicht gegen die Ärzte“, versicherte Graalmann. So verzichte man auf Schulnoten und Ranglisten von vermeintlich besten Medizinern. Die Fragebögen seien unter Beteiligung von Wissenschaftlern und Ärzten konzipiert worden, jeder könne darin gezielt nach Kriterien suchen, die ihm wichtig seien. Freifelder für „Schmähkritik“ gebe es nicht, zudem sei – anders als in vergleichbaren Portalen – gesichert, dass kein Patient einen Arzt mehrfach bewertet. Und jeder Mediziner darf die ihn betreffenden Angaben kommentieren. Er darf sie sogar komplett sperren lassen – was dann aber eben auch kritische Rückschlüsse zulässt.

Die derzeitige Liste enthält 33 Fragen zu Praxis und Personal, Arztkommunikation, Behandlung und Gesamteindruck. Der Suchende erfährt etwa, wie schnell man Termine bekommt, ob die Wartezeiten „angemessen“ sind, ob mit Privatversicherten „bevorzugt umgegangen wird“, ob der Arzt gut zuhört und erklärt, ob er Patienten in Entscheidungen einbezieht, sich Zeit nimmt, mit moderner Technik arbeitet oder seine Patienten gern zu privat bezahlbaren Zusatzleistungen drängt. Und wieviele ihn weiterempfehlen. Damit das Ganze am Anfang nicht allzu subjektiv ist, braucht es für abrufbare Angaben mindestens zehn Bewertungen. Je mehr Patienten sich dann beteiligten, desto aussagekräftiger würden die Ergebnisse, betonte Graalmann. An Fragebögen auch für Zahnärzte und Psychotherapeuten werde gearbeitet.

Getestet wurde der Navigator bereits bei 45 000 Versicherten in Thüringen, Hamburg und Berlin – mit sehr positiven Ergebnissen. So würden 91 Prozent der Patienten ihren Hausarzt und 82 Prozent ihren Facharzt „bestimmt“ oder „wahrscheinlich“ weiterempfehlen. Als entscheidend dafür erwies sich vor allem die Kommunikationsfähigkeit der Ärzte und die Zeit, die sie sich für Patienten nehmen.

Auf die Grenzen ihres Projekts wiesen die Initiatoren dann selber hin. Der Informationsaustausch von Patient zu Patient könne natürlich keine Versorgungsforschung ersetzen, sagte Schlenker. Und auch Graalmann betonte, dass die Patienten zwar ihre Eindrücke schildern, nicht aber Ergebnisqualität bewerten könnten und sollten. Hinzu kommt: Die Hauptkundschaft der Ärzte sind die Älteren. Und die sind noch eher selten im Internet.

www.aok-arztnavi.de

http://arztnavi.barmer-gek.de

www.weisse-liste.de/arzt

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false