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Politik: Putins Geheimnis

Russische Experten glauben, dass Schröder das Angebot im Gasgeschäft spät erhielt – Kritik gibt es dennoch

Der Fall schlägt weiter hohe Wellen – nicht nur in Deutschland. Auch die russischen Medien und zahlreiche Politologen lässt der Einstieg von Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) als Aufsichtsratschef beim deutsch-russischen Konsortium für den Bau der Nordeuropäischen Gasleitung nicht los. Deutsche Spekulationen, wonach Schröder den Deal mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin abgekartet haben könnte, bevor er im Bundestag die Vertrauensfrage stellte und damit Neuwahlen lostrat, halten die meisten Beobachter in Russland jedoch für eher unwahrscheinlich.

Forscher wie Journalisten gehen vielmehr davon aus, dass Putin Deutschlands Ex-Kanzler Anfang Oktober bei dessen Besuch in St. Petersburg bei der Geburtstagsfeier des Kremlchefs am 7. Oktober „einkaufte“. Und zwar für eine Summe, die, wie russische Experten behaupten, erheblich unter den 1,5 Millionen Euro Aufwandsentschädigung liegt, über die in Deutschland bereits spekuliert wurde.

Als Vorsitzender des Aufsichtsrats der Betreibergesellschaft für die Ostsee-Pipeline, der Nordeuropäischen Gas-Pipeline-Gesellschaft (NEGPC), soll Schröder die Interessen der Eigentümer wahrnehmen. Das sind zu 49 Prozent die deutschen Konzerne Eon und BASF. Und das ist zu 51 Prozent der halbstaatliche russische Gasprom-Konzern.

Der bekannte Journalist Roman Schleinow von der regierungskritischen „Nowaja Gaseta“ sagt, in Russland würden Ernennungen, vor allem, wenn es um die Besetzung von Schlüsselpositionen geht, stets bis zum letzten Moment geheim gehalten. Schon allein deshalb sei Schröder vermutlich „so ziemlich als Letzter“ in den Plan eingeweiht worden, mit dem sich Putin, wie Schleinow behauptet, bereits seit längerem trug. Michail Odinzow, der Vorsitzende des Ausschusses für natürliche Monopole im Senat, sagt, hinter jedem großen Wirtschaftskontrakt stünden zwangsläufig auch handfeste politische Interessen. Schröders Ernennung, erklärt der Politologe Jurij Pogorelyj, sei daher kein Ehrenamt und auch kein Freundschaftsdienst. Vielmehr warte auf den Alt-Kanzler politische Kärrnerarbeit, da es in Europa erhebliche Widerstände gegen das Projekt zu überwinden gebe.

Es gibt allerdings auch weit unfreundlichere Reaktionen – und die sind in der Mehrzahl. Stanislaw Kutscher, ein prominenter TV-Moderator, spricht von einer „Schande für Russland“ und einem „historischen Präzedenzfall“. Der Ankauf ausländischer Politiker sei bisher tabu gewesen, Schröder aber habe das Angebot sogar noch erhalten, als er noch im Amt war. Und er dürfte, wie Kutschers Kollege Alexander Archangelskij vermutet, bis ans Lebensende damit zu tun haben, sich von einschlägigen Vorwürfen zu distanzieren. Bevor sich die Wahlniederlage der SPD in Deutschland abzeichnete, sagt Archangelskij, habe Putin mit Schröder sogar erheblich weiter reichende Pläne gehabt. Langfristig hätten beide Politiker eine Art Wirtschaftsunion angestrebt: Russland liefert die Rohstoffe, Deutschland Technologien und Know-how.

Der frühere Schachweltmeister und Putin-Kritiker Garri Kasparow sprach bei „Spiegel Online“ von einer Schande für die Demokratie. Schröder lasse sich „in die Strukturen des mafiösen Systems einbinden“. Das sei „ein fatales Signal für alle, die in Russland für mehr Demokratie kämpfen“.

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