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Politik: Rabattgesetz: Der Internethandel bringt die alten Bastionen des deutschen Wettbewerbsrechts ins Wanken (Kommentar)

Schnäppchenjäger fühlen sich schon fast in Schlaraffenland. Eine Dose Bier für 39 Pfennig, Butter für 1,65 Mark, den kleinen Taschen-PC für weniger als 700 Mark - das sind Preise, die die Herzen höher schlagen lassen.

Schnäppchenjäger fühlen sich schon fast in Schlaraffenland. Eine Dose Bier für 39 Pfennig, Butter für 1,65 Mark, den kleinen Taschen-PC für weniger als 700 Mark - das sind Preise, die die Herzen höher schlagen lassen. Und es könnte noch besser werden. Der Vormarsch des Online-Handels, der weitaus freieren Gesetzen gehorcht, bringt die alten Bastionen des deutschen Wettbewerbsrechts ins Wanken: Rabattgesetz, Zugabeverordnung, ja sogar die gerade mühsam verteidigte Buchpreisbindung - nichts scheint mehr sicher. Ist das nun die schöne, neue Einkaufswelt? Oder der Beginn eines wilden Basars, in dem auf Teufel komm raus gefeilscht wird?

Die Kritiker sind jedenfalls nicht zu überhören. Eindringlich warnen sie davor, sich hastig dem Diktat des Online-Handels zu beugen und alle Regeln für fairen Wettbewerb und Verbraucherschutz in Deutschland über Bord zu werfen. Rabattgesetz und Zugabeverordnung werden plötzlich zu Garanten der guten Sitten stilisiert. Ohne sie, so die Warnung, würden kleinere Betriebe in den Konkurs getrieben, weil sie den Bonuskarten von Karstadt, Lufthansa und Co. nichts mehr entgegenzusetzen hätten. Verbraucherschützern würde die Kontrolle entgleiten. Verlierer wären schließlich jene, die Schutz verdienen: ältere Menschen und Geringverdiener, die mit Smart-Cards und Flugmeilensammeln nur wenig anzufangen wissen und die vermeintlichen Sonderangebote nicht schnell genug durchschauen.

Das ist Nonsens. Rabattgesetz und Zugabeverordnung werden seit Jahren unterlaufen. Wer beim Kauf eines Neuwagens dem Händler nicht mehr als den zulässigen Rabatt von drei Prozent entlockt, wird milde belächelt. Und wer kann noch verstehen, dass die Ausgabe kostenloser Parktickets schon als unzulässige Zugabe gilt? Auch die Gerichte sind nicht mehr einer Meinung. Gegen den anhaltenden Preiskampf im Handel hat sich der Ruf nach dem Kartellamt bisher jedenfalls als zwecklos erwiesen.

Die Kunden reizt der Basar

Die strengen Regeln haben sich überlebt. Sie entpuppen sich inzwischen als Fußangeln gerade für jene, die sie vermeintlich schützen sollen: die Gemüsehändler, die den Restbestand Bananen abends noch schnell zum Schleuderpreis an die Kunden bringen wollen, oder den Optiker, der Kunden mit speziellen "Happy-hour"-Angeboten in seinen Laden lockt.

Nicht die großen Konzerne, sondern die kleineren Unternehmen schrecken vor Lockmitteln zurück, weil sie sich kostspielige Gerichtsverfahren nicht leisten können. Während die Lufthansa ihre Miles & More-Karte durch alle Instanzen verteidigt, sind den kleinen Unternehmen die Hände gebunden. Ist das fairer Wettbewerb?

Die Kritiker verschwenden ihre Energie an der falschen Adresse. Es gibt guten Grund, den Vorstoß des Internet-Handels mit Sorge zu betrachten. Wer wird noch kontrollieren, welche Waren über Fernversand in die Haushalte gelangen? Was wird aus Lebensmittelvorschriften, Arzneimittelrecht, dem Schutz der Jugend? Doch wer das beklagt, sollte umso mehr fragen, wie er die Alternative, nämlich den Handel vor Ort, stärken kann, statt ihn weiter zu behindern. Was lockt denn die Käufer scharenweise ins Internet? Die Umfrageergebnisse sind überraschend: Unbegrenzte Öffnungszeiten, Zeitersparnis und Spaß werden am häufigsten als Motiv genannt - nicht der Preis.

Kurzum: Gesucht wird der Basar. Mit Chaos hat das nichts zu tun. Man sollte die Verbraucher nicht für dümmer verkaufen, als sie sind. Zwischen vermeintlichen und echten Schnäppchen können sie wohl unterscheiden - oder sie werden es lernen. Manchen geht es nur um den Spaß, um das Gefühl, etwas Besonderes erjagt zu haben. Das aber bietet der deutsche Handel noch viel zu wenig. Es ist höchste Zeit, ihn von den Fesseln zu befreien. Der Online-Handel ist kein unschlagbares Schreckgespenst. Lange Lieferzeiten, unsichere Zahlungsweisen, unbekannte Adressen, das sind - noch - Nachteile, denen der stationäre Handel einiges entgegen zu setzen hat. Nichts wie weg also mit den alten Zöpfen.

Margarita Chiari

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