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RAKETEN, AFGHANISTAN, ZU WENIG TRUPPEN Die Nato-Verteidigungsminister tagen in Brüssel: Mehr Anschläge auf Bundeswehr?

Sicherheitsexperten fürchten weitere Selbstmordattentate in Nordafghanistan

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Nato-Militärexperten fürchten, dass die Taliban in Afghanistan in den kommenden Monaten verstärkt deutsche Soldaten der internationalen Afghanistan- Schutztruppe Isaf ins Visier nehmen könnten. Nach Erkenntnissen der Nachrichtendienste verfolgen die Islamisten sehr genau die öffentliche Debatte in Deutschland über das Engagement der Bundeswehr. In Nato-Kreisen nimmt man an, dass die Taliban Selbstmordattentate und Angriffe auf Patrouillen der Bundeswehr künftig verstärkt als politisches Instrument nutzen könnten, um die deutsche Öffentlichkeit zu verunsichern. Dies sei eine Möglichkeit, die Stimmung in Deutschland zu beeinflussen und damit Druck auf die Bundesregierung auszuüben, die Soldaten aus Afghanistan abzuziehen.

Eine Zuspitzung der Situation drohe diesen Sommer zudem, so heißt es in Brüssel, durch die Rückwanderung von bis zu 280 000 afghanischen Flüchtlingen, die bisher in Pakistan in Lagern Zuflucht gefunden hatten, von der pakistanischen Regierung jetzt aber ausgewiesen werden. Ein erheblicher Teil dieser Flüchtlinge sei stark durch die radikalislamische Ideologie beeinflusst. Sorgen bereitet der Nato zudem, dass die Mitgliedstaaten der Allianz immer weniger Bereitschaft zeigen, für die Isaf Truppen und Transportmittel bereitzustellen.

Wegen massiver Sicherheitsbedenken sagten zuletzt auch Bundestagsabgeordnete eine Afghanistanreise ab. Unter anderen das Bundeskriminalamt hatte den Mitgliedern des Ausschusses für Entwicklungszusammenarbeit (EZ) davon abgeraten, deutsche Aufbauprojekte in der Region Kundus im Norden zu besuchen. Die Sicherheitslage in Nordafghanistan gilt als kritisch, seit am 19. Mai drei Bundeswehrsoldaten bei einem Selbstmordattentat in Kundus getötet worden sind. Ein gerade bekannt gewordener Bericht von Kundus an Berlin hatte vor weiteren Anschlägen gewarnt und den zivilen Helfern in deutschen Aufbauprojekten empfohlen, die Region zu verlassen. Die Bundeswehr in Kundus ist demnach auch verärgert darüber, dass afghanische Behörden nicht einschreiten, obwohl einige im Norden agierende Al-Qaida-Anführer namentlich bekannt sind und es konkrete Hinweise auf ihre Verstecke gibt.

Befürchtungen von Entwicklungspolitikern, deutsche Aufbauarbeit könne zum Erliegen kommen, sind nach Informationen des Tagesspiegel jedoch übertrieben. Zivile Aufbauhelfer müssten ihren Sicherheitsaufwand erhöhen, würden ihre Arbeit in der Region aber fortsetzen, sagte ein örtlicher EZ-Koordinator. Ein anderer Fachmann nannte Nachrichten über das Ende der Aufbauarbeit „völligen Unsinn“.

Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hatte zuletzt von afghanischen Behörden ein energischeres Vorgehen gegen Attentäter gefordert. Jetzt, sagt ein Experte, gebe es „leichte Zuversicht“, dass die einheimischen Sicherheitskräfte künftig gezielter vorgingen. Als Grund für die bislang dürftige Leistung afghanischer Verantwortlicher im Kampf gegen Terroristen nannten Deutsche „eine Mischung aus Unfähigkeit und Fatalismus“.

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