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Rasterfahndung: Opposition fordert besseren Datenschutz

Die Kritik an Telekom und Bundeskriminalamt wegen Rasterfahndungen nach dem 11. September 2001 hält an. Denn dass solche Methoden mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht vereinbar, also verfassungswidrig sind, stellte das Bundesverfassungsgericht schon 2006 fest.

Berlin - Spitzelpraktiken bei der Deutschen Bahn, Datenabgleich der Bankverbindungen von Mitarbeitern bei Airbus, Telekomdaten in der BKA-Rasterfahndung – für Grünen-Chefin Claudia Roth summieren sich die Schlagzeilen zu einem „unendlichen Datenskandal“. Deutschland werde immer mehr „zum Wilden Westen in Sachen Datensicherheit“, persönliche Daten würden ohne rechtliche Grundlage weitergegeben, durchleuchtet und ohne konkreten Verdacht in Fahndungsaktionen einbezogen. „Die Verantwortlichen in den Unternehmen und Behörden wähnen sich über Recht und Gesetz erhaben“ ereiferte sich die Spitzen-Grüne in einer Erklärung.

Roth war am Donnerstag nicht allein mit ihrer Bestürzung über den Umgang deutscher Unternehmen und Behörden mit personenbezogenen Daten. Auch FDP und Linkspartei reagierten empört auf Meldungen, wonach die Deutsche Telekom dem Bundeskriminalamt (BKA) nach dem 11. September 2001 Daten für groß angelegte Rasterfahndungen bereitgestellt haben soll.

Die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion Gisela Piltz forderte von der Bundesregierung in der nächsten Sitzung des Innenausschusses des Bundestages klare Aussagen zum aktuellen Stand der Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes. „Wir brauchen eine klare Rechtslage, die gewährleistet, dass Arbeitnehmerdaten nicht missbraucht werden, und dass bei Verstößen gegen den Datenschutz scharfe Sanktionen drohen. Korruptionsbekämpfung ist wichtig. Aber der Preis dafür darf nicht der gläserne Arbeitnehmer sein.“ Petra Pau von der Linkspartei sprach von einem Datenskandal, der belege, „wie freihändig hierzulande mit Grundrechten jongliert wird – von Staats wegen und von privat“.

Dass Rasterfahndungen wie die des BKA in Personendaten der Telekom mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht vereinbar, also verfassungswidrig sind, stellte das Bundesverfassungsgericht schon 2006 fest. Doch die Fahndungsmethode, nach dem Terror der siebziger Jahre aus der Mode gekommen, erlebte unmittelbar nach den Anschlägen des 11. September eine Renaissance. Die Spuren der Flugzeug-Attentäter führten auch nach Deutschland, und die Ermittler waren sich zunächst sicher, es mit sogenannten Schläfern zu tun zu haben, trainierten Terroristen, die wie unscheinbare Bürger leben und auf Knopfdruck eines verborgenen Befehlsgebers zu Mördern werden sollten.

Mit der Rasterfahndung hatten jedenfalls die Länderpolizeien ein Mittel zur Hand, das in ihren Gesetzen ausdrücklich geregelt war. Die Rolle des Bundeskriminalamts war dagegen schon damals umstritten. Bereits eine Woche nach den Anschlägen setzen sie Innenminister eine „Koordinierungsgruppe Internationaler Terrorismus“ unter Vorsitz des Bundeskriminalamtes ein. Diese Gruppe fixierte die Rasterkriterien und ließ die Daten über die Landeskriminalämter erheben. Das BKA rechtfertige seine Rolle mit dem Hinweis, dass eine „Zentralstelle“ zur „Informationsverdichtung“ nötig sei, und richtete die bundesweite Datei „Schläfer“ ein. Da hinein wanderten Zehntausende Datensätze, die mit ebenfalls vom BKA erhobenen Datensätzen abgeglichen wurden, etwa über die Inhaber von Fluglizenzen. Das BKA hat eigenen Angaben zufolge rund 4000 Institutionen und Firmen um Übersendung von Personaldaten gebeten, 212 Institutionen haben dem BKA entsprechende Daten zur Verfügung gestellt. 2003 wurden die angelegten Dateien wieder gelöscht.

Die Rasterfahndung führte in keinem Fall dazu, dass „Schläfer“ aufgedeckt oder angeklagt worden wären, das BKA sprach dagegen von „qualifizierten Ermittlungsansätzen“. Datenschützer rügten damals, die Aktivitäten des Bundeskriminalamtes hätten sich entgegen dessen Standpunkt nicht auf eine bloße Unterstützungs- und Zentralstellenfunktion beschränkt. Das Bundesverfassungsgericht erkannte in dem Vorgehen der Polizeibehörden einen gravierenden Verstoß gegen das Grundgesetz. Die Betroffenen seien durch die Methoden diskriminiert und stigmatisiert worden. Die Richter hoben die Schwelle für diesen Grundrechtseingriff wieder an. Rasterfahndungen sind seitdem nur noch zulässig, wenn es eine konkrete Terrorgefahr gibt. Dennoch wollte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) bei der Neufassung des BKA-Gesetzes nicht darauf verzichten und hat auch den Bezug auf private Unternehmen klargestellt: „Das Bundeskriminalamt kann von öffentlichen oder nichtöffentlichen Stellen die Übermittlung von personenbezogenen Daten von bestimmten Personengruppen aus Dateien zum Zwecke des automatisierten Abgleichs mit anderen Datenbeständen verlangen, soweit dies zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Staates oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder Sachen von bedeutendem Wert erforderlich ist“, heißt es jetzt im neuen Gesetz.

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