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Politik: Ratlos in München

Minister Struck hat Mühe, auf der Sicherheitskonferenz die Nato-Pläne des Kanzlers zu erklären

Die Zuhörer waren verwirrt. Der Kanzler war abwesend, also trug sein Minister Peter Struck des Kanzlers Pläne für eine Reform der Nato vor, die bei vielen auf Skepsis stießen. Da rettet ein anderer Gast mit kabarettreifen Scherzen den dankbaren Applaus einer Münchener Sicherheitskonferenz, die keinen neuen atlantischen Streit will: US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Er hatte beobachtet, wie sich die Mienen des Nato-Generalsekretärs Jaap de Hoop Scheffer und seines Vorgängers Javier Solana verdüsterten, während Struck die Rede des kranken Schröder verlas, und fragt, kaum auf dem Podium: „Na, Jaap, wie fühlst Du Dich jetzt?“ Dann entschuldigt er sich bei Struck, dass manche Amerikaner ihm nun so unangenehme Fragen nach Schröders Absichten stellen, und kokettiert schließlich mit seiner umstrittenen Unterteilung in „neues“ und „altes“ Europa während des Irakkriegs, indem er sich selbst als „Old Rumsfeld“ vorstellt. Er erntet einen Lacherfolg nach dem anderen. Fast wäre eine sehr ernste Frage dabei untergegangen: Wer beerdigt hier eigentlich die Nato – Schröder oder eher Rumsfeld, der darauf beharrt, nicht die Koalition entscheide über die Missionen weltweit, sondern umgekehrt bestimme die Mission, wer an der jeweiligen Koalition teilnimmt?

Wie erstarrt wirkten die Politiker der rot-grünen Koalition den halben Sonnabend. Sie wurden überrascht vom Inhalt der Kanzler-Rede – und davon, dass zugespitzte Aussagen in zwei Samstagszeitungen zu lesen waren. Das Kanzleramt hatte ihnen den Text vorab überlassen, was nicht einmal der eigentliche Autor wusste, ebenfalls einer aus dem Kanzleramt. Die Nato werde der veränderten Weltlage nicht gerecht, sie sei nicht mehr der Ort, wo Aufgaben und Probleme der transatlantischen Partner besprochen werden, hieß es darin. Und da war kein Roter oder Grüner bei der Konferenz, der sich berufen fühlte, Schröders Zielrichtung im Plenum zu erklären. Peter Struck jedenfalls lehnt zunächst jede Diskussion ab und sagt auf die Frage des „Zeit“-Herausgebers Josef Joffe, ob Schröder die Nato zu Grabe tragen wolle, er sei nicht der Kanzler und fühle sich nicht berechtigt, für ihn zu sprechen.

So wird die Erinnerung wach an eine ähnliche Situation vor zwei Jahren, kurz vor dem Irakkrieg. Da platzte die Meldung in Konferenz, Schröder habe eine Blauhelmtruppe für den Irak vorgeschlagen, angeblich in Abstimmung mit Frankreich. Weder Struck noch dessen französische Amtskollegin Michelle Alliot-Marie wussten etwas davon.

Mangelnde Öffentlichkeitsarbeit: Niemand der in München anwesenden Koalitionspolitiker war vorbereitet, um Fehlinterpretationen entgegenzutreten. Das habe, gestehen rote und grüne Abgeordnete, zu großer Verwirrung und zu so absurden Fragen geführt, ob der Kanzler die Nato abwerten wolle. Ein Informationsdesaster. Dabei kann man Schröders Rede genau den umgekehrten Wunsch entnehmen: die Nato wieder zum Ort der entscheidenden Debatten zu machen, zumal sich die Welt und das Verhältnis Europas zu Amerika verändert habe. Auch CDU-Angeordnete wie Friedbert Pflüger sagen, dass wichtige Diskussionen wie die um den Irak oder jetzt den Iran an der Nato vorbeilaufen.

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