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Politik: Ratloser Ratgeber

Rüttgers soll beim Koalitionsgespräch in Berlin helfen – dabei hat er genug Probleme mit seiner Mannschaft

Frühe Flüge mag Jürgen Rüttgers überhaupt nicht. „Dann schlafe ich die Nacht davor meistens schlecht“, bekennt der neue Düsseldorfer Ministerpräsident schon mal in kleiner Runde; neuerdings fügt er kleinlaut hinzu, „aber jetzt muss es wohl sein“. Vom kommenden Montag an wird Rüttgers mehr in Berlin als in der Landeshauptstadt sein, weil er von Angela Merkel gebeten wurde, bei den Verhandlungen mit der SPD dabei zu sein. Da auf ihn nach seinem zweiten Urlaub während der Regierungszeit – er hat die Herbstferien mit den Kindern in Südfrankreich verbracht – auch in der Landespolitik schwierige Aufgaben warten, wird der Mann bald täglich pendeln und sich an wenige Stunden Nachtschlaf gewöhnen müssen.

Der Opposition ist schon aufgefallen, dass er sich mit Hinweisen auf seinen vollen Terminkalender unfreundlichen Diskussionen zu entziehen versucht. Weil er bei der Pressekonferenz zu den ersten 100 Tagen seiner neuen Regierung an den Zwergschulen des Landes erhebliche Unruhe ausgelöst hatte, wollen sowohl Grüne wie Genossen den Ministerpräsidenten vor dem Landtag zu dem Thema befragen, doch der hat bisher alle Terminvorschläge im Oktober unter Hinweis auf die hohe Belastung abgelehnt. Rüttgers hatte vor den Ferien davon gesprochen, dass hunderte kleine Schulen demnächst geschlossen werden müssten, seine Regierung aber eine Rettungsaktion plane. Am Tag darauf musste seine Schulministerin Barbara Sommer zugeben, dass es entsprechende gesetzliche und administrative Regeln längst gibt. Die Opposition argwöhnte, Rüttgers habe die Unwahrheit gesagt. Inzwischen stellte sich heraus, dass der zuständige Schulstaatssekretär ein Acht-Seiten-Papier mit falschen Angaben an die Staatskanzlei gegeben hatte, ohne die Zahlen vorher mit seinen Fachleuten abzusprechen. Da dies in den vergangenen Wochen nicht die einzige Panne im Schulministerium war und sich die neue Ministerin auf dem politischen Parkett als wenig sattelfest erwies, denkt Rüttgers inzwischen darüber nach, wann und durch wen er die Dame ersetzt.

Das ist nicht das einzige Personalproblem des neuen Regierungschefs. Sein Chef der Staatskanzlei, der ehemalige Düsseldorfer Kulturdezernent Hans-Heinrich Grosse Brockhoff, ist im Stadttor bisher vor allem durch seine cholerischen Anfälle aufgefallen und heißt im Hause nur noch „Grobi“. Auch Rüttgers ist nicht entgangen, dass der Mann gelegentlich nicht alle Fakten präsent hat und mehrfach täglich bei seiner roten Vorgängerin nachfragen muss. „Der ruft mindestens dreimal am Tag im Finanzministerium an“, wissen Eingeweihte in der Staatskanzlei. Das ist pikant, denn der neue Finanzminister Helmut Linssen hat Steinbrücks Kanzleichefin Angelika Marienfeld zur Staatsekretärin in seinem Hause gemacht, dort ist sie aber weite Teile ihrer Arbeitszeit damit beschäftigt, die Regierungsarbeit insgesamt zu koordinieren. Sowohl Linssen wie Rüttgers treibt die Vorstellung, dass Steinbrück die Dame nun nach Berlin bitten wird, Schweißperlen auf die Stirn.

Diese Personalie wiegt umso schwerer, weil in den kommenden Wochen der Haushalt für 2006 aufgestellt werden muss. Nachdem die neue Regierung die Schulden mit einem Nachtrag und einem Schuldvorwurf an Rot-Grün auf den Rekordwert von 7,2 Milliarden hochgejagt hat, müssen Linssen und Rüttgers jetzt drastisch sparen. „Wir brauchen energische Schritte zur Haushaltskonsolidierung“, gibt der Regierungschef als Linie vor, die Details überlässt er anderen. So hat er zum Beispiel eine Gruppe von hochrangigen Experten gebeten, Vorschläge zum Schuldenabbau zu machen. Die ersten Ideen haben im Kreise der Regierung aber eher Entsetzen ausgelöst. So hatte der Deutschland-Chef von Mc Kinsey, Jürgen Kluge, doch tatsächlich laut darüber nachgedacht, die Bürger über eine Hotline Sparvorschläge machen zu lassen.

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