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Politik: Rau auf Kommandeurtagung: Bundespräsident fordert Debatte zu Wehrpflicht

Am zweiten Tag der 38. Kommandeurtagung in Leipzig hat Bundespräsident Johannes Rau zu einem breiten gesellschaftlichen Dialog über die neuen Aufgaben der Bundeswehr in der deutschen und europäischen Sicherheitspolitik aufgerufen.

Am zweiten Tag der 38. Kommandeurtagung in Leipzig hat Bundespräsident Johannes Rau zu einem breiten gesellschaftlichen Dialog über die neuen Aufgaben der Bundeswehr in der deutschen und europäischen Sicherheitspolitik aufgerufen. In einer Grundsatzrede vor rund 650 Kommandeuren der Bundeswehr bekannte sich Rau am Dienstag ausdrücklich zu dieser neuen Rolle und forderte zugleich eine Stärkung der zivilen Elemente bei der Bewältigung von Konflikten. Rau bekräftigte, es sei ein Irrtum zu meinen, mit dem Ende des Ost-West-Konflikts sei das Ende jeglicher militärischer Bedrohung für Europa gekommen. Aus der "traurigen und bitteren Erfahrung", dass dem nicht so sei, wachse die Einsicht, dass auch in Zukunft eine leistungsfähige Bundeswehr gebraucht werde.

Angesichts der veränderten sicherheitspolitischen Lage seit Ende des Ost-West-Konflikts müsse aber neu nachgedacht werden, in welcher Form. Man mache sich unglaubwürdig, wenn man an Positionen festhalte, die sich unter veränderten Bedingungen nicht mehr halten ließen. Der Präsident fügte aber hinzu: "Unglaubwürdig machte sich die Politik genauso, wenn sie weiter gültige Einsichten, die für die Wehrpflicht sprechen, dem Zeitgeist opferte."

Eindringlich warnte Rau davor, die wichtige Frage der Wehrpflicht von Gerichten entscheiden zu lassen. Bei kaum einer Frage sei ein tragfähiger gesellschaftlicher Konsens so notwendig wie in den Grundfragen der Sicherheitspolitik und der daraus folgenden Reform der Streitkräfte, sagte Rau. Die politische Bewertung und Entscheidung dürfe nicht durch vermeintliche oder tatsächliche Sachzwänge ersetzt werden. Wenn Soldaten aus einem in Frieden lebenden Land wie Deutschland Leib und Leben riskierten, um in anderen Ländern Menschenwürde und Menschenrechte zu verteidigen, müsse die Gesellschaft hinter ihnen stehen.

Mit Nachdruck warnte Rau allerdings vor einer Gewöhnung an militärische Einsätze. Sie könnten immer nur die ultima ratio sein. Moderne Sicherheitspolitik müsse in erster Linie an den Ursachen der Friedensgefährdung ansetzen. Mit deutlichen Worten kritisierte Rau die zunehmenden zivilen Aufgaben der Streitkräfte im Einsatz. "Es kann doch nicht Sinn und Zweck einer Armee sein, Brunnen zu bauen, zivile Krankenhäuser zu betreuen oder Verwaltungs- und Polizeistrukturen zu ersetzen", sagte er. Es dürfe nicht wie selbstverständlich und auf Dauer auf militärische Kräfte für zivile Zwecke zurückgegriffen werden.

Außerdem sprach sich Rau dafür aus, mit den erforderlichen Reformen der Bundeswehr zügig zu beginnen. Bei der anstehenden Umstrukturierung müsse die Bundeswehr stärker von den Erfahrungen der Wirtschaft profitieren und unternehmerische Elemente akzeptieren, riet der Aufsichtsratsvorsitzende der Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb (GEBB), Helmut Werner.

Der evangelische Militärbischof Hartmut Löwe hat zu Augenmaß bei der anstehenden Reform der Bundeswehr gemahnt. Bei allen erforderlichen Veränderungen sei die Bundeswehrführung dafür verantwortlich, "dass bleibt, was sich bewährt hat". Der Militärbischof verwies ferner auf die Grenzen des militärischen Gehorsams: "Befehl und Gehorsam ersetzen nicht die eigene Urteilsbildung." Am Nachmittag hielt Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping vor den Kommandeuren eine Grundsatzrede.

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