zum Hauptinhalt

Politik: Rauch, Abblendlicht – und Genugtuung

Todesnachricht am letzten Tag des Fastenmonats / Reaktionen in Palästinensergebieten und in Israel

Vor knapp zwei Wochen hatte Palästinenserpräsident Jassir Arafat den Amtssitz in Ramallah verlassen, um seine letzte Reise anzutreten. Nachdem sich die Nachricht vom Tod des „Rais“, des „Präsidenten“, wie er von den Palästinensern respektvoll genannt wird, am Donnerstag verbreitet hatte, war die Trauer in der Stadt im Westjordanland deutlich zu spüren. Über den Lautsprecher der großen Moschee von Ramallah wurden Koranverse ins Zentrum der Stadt getragen, die melancholischer klangen als sonst. Die Menschen, die sich bereits im Morgengrauen am zentralen Manara-Platz einfanden, hatten nur ein Thema: Den Tod des Palästinenserführers.

Eigentlich hatten sie geplant, am letzten Tag des Fastenmonats Ramadan einzukaufen. Doch als sie die traurige Nachricht im Radio hörten, schalteten sie die arabischen Fernsehsender Al Arabia oder Al Dschasira an. Immer wieder hörten sie die Kommuniqués aus Paris und Ramallah: So als hofften sie, dass sich die Todesnachricht auch diesmal als Falschmeldung herausstellen würde. Als die Einwohner von Ramallah aber auf der Straße die Sonderausgabe der Zeitung „Al Ayyam“ mit einer Fotosammlung aus dem Leben des Verstorbenen sahen, schwand die letzte Hoffnung. „Arafat war ein zentraler Teil unseres Lebens“, meint etwa der Student Muntasser, der mit Freunden bei den Löwenstatuen am Manara-Platz das Extrablatt liest. Für jeden hier sei der Tod des Präsidenten „ein persönlicher Verlust“, sagt er.

Im nahe gelegenen Jerusalem ist von Trauer hingegen nichts zu spüren. Nur eine Minderheit der Israelis hat Arafat als Staatsmann anerkannt. Die meisten Israelis lasten ihm die Terrorwelle an, die ihr Land besonders in den vergangenen vier Jahren überrollt hat. „Schade, dass er nicht schon früher gestorben ist“, meint beispielsweise eine 40-jährige Hausfrau aus einem Jerusalemer Vorort. Dass keiner der 112 jüdischen Parlamentarier an Arafats Begräbnis teilnehmen will, findet sie nur „logisch“. Als „schade“ und „typisch“ schätzt sie hingegen die Absicht der arabischen Knesset-Mitglieder ein, Arafat die letzte Ehre zu erweisen, „Die müssen sich doch endlich einmal entscheiden, ob sie für uns oder gegen uns sind“, empört sie sich.

Auch in den Straßencafés von Tel Aviv macht die Nachricht vom Tod Arafats keinen großen Eindruck. Dass es mit ihm zu Ende gehe, wusste man schon seit zwei Wochen. Viele Israelis wunderten sich nur über den Optimismus, mit dem palästinensische Politiker den hoffnungslosen Gesundheitszustand immer wieder beschönigt hatten. Doch nur wenige glauben, dass man mit der neuen Führung werde vernünftig sprechen können. „Seine Nachfolger verheißen uns wenig Gutes“, meint Chaim, ein 30-jähriger Ingenieur, während er in der Tageszeitung „Maariv“ über die Vorbereitungen für Arafats Beerdigung liest.

In Gaza kündigte sich der neue Tag unterdessen mit einer dichten, schwarzen Wolke an. Auf den Straßen hatten junge Palästinenser Autoreifen in Brand gesteckt. Auf den wenigen Fahrzeugen, die in der Stadt fahren, prangen Poster mit dem Bild Arafats. Als zusätzliches Zeichen des Leids sind alle Abblendlichter eingeschaltet.

Pierre Heumann[Tel Aviv]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false