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Politik: Rauchende Köpfe

Regierung und Fraktionen brüten nun über den Verbotsplänen – sie fürchten verfassungsrechtliche Probleme

Berlin - In Sachen Rauchverbot sind nun die Regierungsfraktionen am Zug. Doch dort und in den zuständigen Ministerien gibt es inzwischen verfassungsrechtliche Bedenken gegen die geplante Reglementierung in Speisegaststätten, Diskotheken und öffentlichen Räumen.

Um Ausnahmen für Bars und Kneipen zu ermöglichen, hatte die koalitionäre Arbeitsgruppe dem Bund empfohlen, die geplanten Rauchverbote nicht mit Arbeits-, sondern Gesundheitsschutz zu begründen. Der Bund müsste sich dann auf das Grundgesetz, Paragraf 74, berufen, wonach ihm „Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren“ erlaubt sind. Die Verbote über das Gaststättenrecht zu regeln, ist Berlin hingegen nicht mehr möglich. Seit der Föderalismusreform sind dafür allein die Länder zuständig.

Aus den Fraktionsführungen hieß es, die Regierung sei zu einer Stellungnahme aufgefordert, in welchem Umfang der Bund für den Nichtraucherschutz seit der Reform noch zuständig sei. Die beiden Verfassungsministerien, also Justiz- und Innenministerium, prüfen nun die Vorschläge – und sind offenbar skeptisch. Der Bund dürfe nur bei unmittelbarer Gesundheitsgefahr einschreiten, zitierten die „Passauer Neuesten Nachrichten“ deren Einschätzung. Tabakqualm sei aber „eine mittelbare Gesundheitsgefahr“.

Auch der Berliner Verfassungsrechtler Rupert Scholz sieht in den Empfehlungen „eine ganze Reihe von Fragezeichen“. So habe der Bund zwar für Bundesbehörden die Kompetenz, Rauchverbote zu verhängen, nicht aber für Landesbehörden oder Amtsstuben der Kommunen. „Das geht ihn im Grunde nichts an“, sagte Scholz dem Tagesspiegel am Sonntag. Zudem kollidiere Gesundheitsschutz immer mit dem „persönlichen Freiheitsbereich des Einzelnen, auch Dinge zu tun, die ihn gesundheitlich gefährden“. Und beim Schutz von Nichtrauchern seien, wenn man mit Gesundheitsschutz argumentiere, natürlich auch die Verbotsausnahmen für Bars und Kneipen problematisch. Regierungssprecher Thomas Steg hatte noch am Freitag eine rasche Prüfung verfassungsrechtlicher Fragen angekündigt. Der Bund habe zwar unmittelbare Kompetenz im eigenen Wirkungsbereich, etwa in bundeseigenen Gebäuden und beim Schutz von Bundesbeschäftigten. Auch bei Verkehrsträgern wie der Bahn, bei denen man einen Anteil habe, könne man tätig werden. Schulen und Kindergärten lägen aber, ebenso wie das Gaststättenrecht, in der Zuständigkeit der Länder.

Das Land Berlin hat bereits angekündigt, eine Verschärfung der Verbote, etwa in Gaststätten und Krankenhäusern, zu prüfen. Durch die Einigung würden Pläne der rot-roten Regierung zum Nichtraucherschutz infrage gestellt. So hatte Berlin in den Kliniken Raucherzimmer verbieten wollen. Den Eckpunkten der Arbeitsgruppe zufolge wären sie erlaubt.

Die Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten forderte für alle Beschäftigten in Gaststätten rauchfreie Arbeitsplätze. Auch das Deutsche Krebsforschungszentrum bemängelte, dass viele Beschäftigte in der Gastronomie nicht unter die geplante Regelung fielen. Nach Angaben der Grünen-Politikerinnen Birgitt Bender und Ulrike Höfken wären es auch etwa 8000 schwangere und stillende Frauen.

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