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Zur Erinnerung. Angela Merkel eröffnet 3 000 Quadratmeter Ausstellungsfläche. Foto: dpa

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Politik: Raum für Erinnerung

Merkel startet Bau des Dokumentationszentrums für Vertreibung in Berlin.

Berlin - Weder Spatenstich noch Grundsteinlegung, sondern schlicht „Baubeginn“ war gestern am früheren Deutschlandhaus am Askanischen Platz angesagt. Bundeskanzlerin Angela Merkel hielt die Festrede zum Baubeginn des Dokumentationszentrums der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung. 2008 hatte der Deutsche Bundestag die Errichtung der Stiftung beschlossen, als „unselbstständige Stiftung in der Trägerschaft des Deutschen Historischen Museums“.

Der Weg bis zur Errichtung der Stiftung und von da bis zum gestrigen, symbolischen Baubeginn war von Konflikten gekennzeichnet. „Der Gegenwind war stark, hoch schlug die Welle der Emotion“, sagte Merkel: „Doch für mich gab es keinen Zweifel, dass Erinnerung Raum braucht, und diesen Raum schaffen wir jetzt.“ Ausdrücklich dankte Merkel der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach (CDU), und dem 2005 verstorbenen Peter Glotz (SPD) für die Initiative zu dem „sichtbaren Zeichen“, als das schließlich die Stiftung errichtet wurde.

Die Kanzlerin betonte mehrfach, dass die Vertreibung „von bis zu 14 Millionen Deutschen“ nicht ohne die vorangehenden Verbrechen des NS-Regimes zu verstehen seien. Gleichwohl sollten „wir Flucht und Vertreibung wahrnehmen als das, was es ist: großes Leid und schweres Unrecht“. Zugleich erinnerte Merkel daran, dass die Aufnahme der Vertriebenen in den Westzonen Deutschlands nicht ohne Reibungen verlief: „Hunger, Kälte, Perspektivlosigkeit kennzeichneten die Anfangsjahre.“

Der „Blick in die Vergangenheit“ schärfe den „Blick für so manches Leid in der Gegenwart“, fügte Merkel hinzu und schloss mit den Worten: „Hier entsteht ein Haus der Erinnerung und ein Haus der Versöhnung.“ In ihrem Beisein wurden sodann zwei Werbebanner am Deutschlandhaus enthüllt und eine Freiluftausstellung eröffnet.

Der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung stehen für den Umbau des Deutschlandhauses und den Anbau eines Ausstellungsgebäudes 33 Millionen Euro zur Verfügung. Der Um- und Neubau bis zur geplanten Eröffnung 2016 erfolgt nach dem Entwurf des österreichischen Architekturbüros „Marte.Marte ZT“, das Ende 2011 siegreich aus dem Architekturwettbewerb hervorgegangen war. Danach sollen die beiden denkmalgeschützten, straßenseitigen Trakte des bis 1935 errichteten Deutschlandhauses erhalten werden, die beiden übrigen jedoch abgerissen werden. In die so entstehende Fläche wird ein quadratischer, zweigeschossiger Ausstellungsbau eingeschoben, bleibt aber vom Altbau durch eine schmale Fuge sichtbar getrennt.

Für die Ausstellungen der Stiftung werden rund 3000 Quadratmeter Fläche gewonnen, 1700 davon sind für die Dauerausstellung vorgesehen. Das unter Mitarbeit von Wissenschaftlern der benachbarten Länder wie insbesondere Polen entwickelte Ausstellungskonzept sieht vor, Flucht und Vertreibung der Deutschen in den Kontext der Zwangsmigrationen Europas im 20. Jahrhundert zu stellen. Breiten Raum wird die Vorgeschichte der Vertreibung einnehmen, vor allem der Zweite Weltkrieg mit „Besatzungsterror, Zwangsmigration und Völkermord als Teil der NS-Herrschaft“.

Von den Konflikten der jüngeren Vergangenheit war gestern nur in versöhnlichem Ton die Rede, als Kulturstaatsminister Neumann (CDU) – aus dessen Etat Bau und Betrieb des Dokumentationszentrums finanziert werden – davon sprach, die unterschiedlichen Ansichten zu vereinen, habe „einer Quadratur des Kreises“ geglichen: „Es ist gelungen.“ So werde „der neue, zeitgemäße Bau die Berliner Museums- und Gedenkstättenlandschaft deutlich bereichern – und das auf Kosten des Bundes!“. Bernhard Schulz

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