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Politik: Raus aus dem Mist

Von Dagmar Dehmer

Darauf haben die Hühnerbarone lange gewartet. In Freilandeiern ist mehr Dioxin gefunden worden als in Käfigeiern. Endlich mal, knapp vor der Grünen Woche, ein Argument für die Haltung von Hühnern auf kleinstem Raum – findet der niedersächsische Landwirtschaftsminister und fordert die Wiederzulassung der Käfigbatterien. Aber im Jahr vier der von Verbraucherministerin Renate Künast ausgerufenen Agrarwende wird so eine Forderung nur noch belächelt. Vielleicht zeigt sich daran, wie weit die Wende schon gelungen ist, obwohl die Beharrungskräfte gewaltig sind und der Widerstand groß ist.

Renate Künast hat es geschafft, die Agrarpolitik aus den Hinterzimmern und Nachtsitzungen herauszuholen. Und das, obwohl es immer noch um widersinnige Marktordnungen, Quoten und Prämien geht. Aber sie hat ihre Parole „Klasse statt Masse“ nie aus den Augen verloren. Seit diesem Jahr gelten für die Verteilung der Agrarsubventionen zum ersten Mal halbwegs vernünftige Regeln. Für die Gefährdung der Umwelt durch einen hohen Pestizideinsatz oder für die schiere Masse bei der Tierzucht gibt es endlich weniger Geld. Bauern, die mit ihrer Umwelt und Tieren pfleglich umgehen, erhalten hingegen mehr.

Die Agrarwende ist eine kleine Kulturrevolution – deshalb dauert sie auch etwas länger. Angefangen hat sie mit der Aufnahme des Tierschutzes als Staatsziel ins Grundgesetz. Dessen erste Folge war die neue Hennenhaltungsverordnung, mit der die Käfigbatterien verboten wurden. Und das, obwohl Hühner nicht zur Liga der niedlichen Tiere gehören. Aber auch daran, wie eine Gesellschaft mit Hühnern, Kühen und Schweinen umgeht, lässt sich der Zustand einer Zivilisation ablesen. Selbst das Bundesverfassungsgericht hält die Käfighaltung von Hühnern für verfassungswidrig. Trotzdem kämpfen die Hühnerbarone unverdrossen für einen lediglich etwas größeren Käfig.

Sie haben es sogar geschafft, genügend Bundesländer auf ihre Seite zu ziehen, um Renate Künast zu erpressen. Seit Monaten hält der Bundesrat die überfällige Schweinehaltungsverordnung auf. Er will sie nur dann genehmigen, wenn die Hennenhaltungsverordnung entschärft wird. Die Ministerin will sich davon zwar nicht unter Druck setzen lassen. Aber für die Strafzahlungen an Brüssel wegen der Verspätung bei der Schweinehaltungsverordnung muss der Bund alleine gradestehen.

Die nun beginnende Grüne Woche gibt Gelegenheit, sich vom Sinn der Parole „Klasse statt Masse“ zu überzeugen. Denn das, was massenhaft zu minimalen Preisen verschlungen wird, schafft in Form von Übergewicht und Krankheiten neue Probleme – ein Zusammenhang, auf den die Ministerin gnadenlos und unentwegt hinweist. Aber was, wenn umweltverträglich und artgerecht produzierte Eier oder andere Lebensmittel gar nicht klasse sind, wie gerade festgestellt, sondern dioxinverseucht? Dann muss die Lebensmittelkontrolle die Eier aus dem Verkehr ziehen, muss die Umweltpolitik helfen. Denn Dioxine sind überall. Sie entstehen bei Verbrennungsprozessen und sind überaus langlebig. Die Dioxine, die heute in Freilandeiern gefunden werden, sind möglicherweise schon vor 20 oder 30 Jahren entstanden.

Aber eine umweltverträgliche Landwirtschaft hilft, dass in 20 oder 30 Jahren nicht wieder ein Giftskandal die Grundsatzfrage aufwirft, ob Bio wirklich gesünder ist. Es lohnt sich also, dranzubleiben an der Agrarwende.

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