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Politik: Raus aus dem Revier

Von Anja Kühne

Deutschland soll schneller werden. Deswegen will die Föderalismuskommission überall Zuständigkeiten entflechten, vom Wohnungswesen bis zum Küstenschutz und ganz besonders bei Bildung und Wissenschaft. Wenn eine Uni, gleich wo, ein neues Hörsaaldach will – müssen sich dann 16 Länder mit dem Bund an einen Tisch setzen? Auch die Schule brauche kein BundLänder-Gremium mehr, wird argumentiert, weil man sich seit Jahrzehnten dort auf nichts Wichtiges mehr einigen konnte. Also: Weg damit, sagen die Länder. Schon lange ärgern sie sich über die Einmischungen des Bundes in ihr Revier. Sie verlangen die radikale Trennung.

Wird dann endlich alles gut, kommen Deutschlands Schulen und Hochschulen wieder voran? Im Gegenteil. Motor der Debatte ist nicht das Wohl von Bildung und Wissenschaft, darum gehören der Föderalismuskommission auch keine Bildungsexperten an, nicht einmal die Kultusminister. Die Bildung ist nur ein Bauernopfer in einer viel größeren Verschiebemasse. Es geht auch um Eitelkeiten und um Geld. Wenn die Politiker ihre Beschlüsse wirklich so fassen, wie sie sie jetzt diskutieren, wird sich die Lage noch verschlimmern.

Das Zusammenspiel von Bund und Ländern in der Bildung muss verbessert werden. Es aber abzuschaffen, wäre fahrlässig. Die Verfassung sieht Schulen und Hochschulen als Länderaufgaben. Doch als die Große Koalition 1969 im Grundgesetz auch dem Bund Möglichkeiten der Mitsprache einräumte, hatte sie dafür gute Gründe. Seit der Bildungsforscher Georg Picht einen „Bildungsnotstand“ prophezeit hatte, galt Bildung als nationale Aufgabe – die Länder wären überfordert gewesen, sie alleine zu stemmen.

Das passt noch heute. Gerade heute. Nach dem Pisa-Schock hat die Öffentlichkeit eine konzertierte Aktion erwartet. Dem hat der Bund entsprochen, Milliarden Euro für Ganztagsschulen stehen bereit. Wenn sich davon nun die Länder gekränkt fühlen und sie auch die Kosten für mehr Personal nicht gerne tragen: Schülern, Eltern und Lehrern ist das einerlei. Genauso profitiert die Wissenschaft, wenn der Bund in Spitzenunis investiert und die Länder dazu bringt, eigenes Geld beizusteuern. Ob Bayerns Wissenschaftsminister sich deshalb vom Bund „entmannt“ sieht – das spielt im internationalen Wettbewerb keine Rolle.

Die Länder sagen, Schulen und Hochschulen seien ohne zentralistischen Dirigismus besser dran. Man werde ja sehen, ob die besten Wissenschaftler lieber nach Bayern oder nach Bremen kommen und wer die klügsten Schüler habe. Offenbar tut es den Ländern aber gut, ab und an mit dem Bund in Konkurrenz zu stehen. Viele Anstöße für die jüngsten Bildungsreformen sind von ihm ausgegangen. Der Bund ist es auch, der allein verhindern kann, dass die armen Bundesländer immer weiter hinter den reichen zurückbleiben. Deshalb ist es ein schwerer Fehler, dass Bundesministerin Edelgard Bulmahn die Finanzierung des Hochschulbaus allein den Ländern überlassen will. Der Bund wird den Unis fehlen, sie werden zurückfallen. Natürlich will niemand, dass der Bund Details bestimmt, dass mögliche Fehlentscheidungen sich bundesweit potenzieren. Bund und Länder müssen einander in Bildungsfragen vorantreiben und kontrollieren.

Dieses Zusammenspiel funktioniert bislang keineswegs perfekt. Man muss es verbessern, Entscheidungswege verkürzen. Aber Bund und Länder dürfen sich nicht trennen. Die Bildung braucht sie. Beide.

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