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Politik: Realitäten

Foto: Rückeis / Montage: DP HINTER DEN LINDEN Manchmal ist das vermeintlich Unpolitische äußerst entlarvend für den Zustand unseres Gemeinwesens. Die Fernsehunterhaltung beispielsweise gilt als ziemlich politikfern.

Foto: Rückeis / Montage: DP

HINTER DEN LINDEN

Manchmal ist das vermeintlich Unpolitische äußerst entlarvend für den Zustand unseres Gemeinwesens. Die Fernsehunterhaltung beispielsweise gilt als ziemlich politikfern. Da hat also vor wenigen Tagen in einer Rateshow der Moderator eine Frage an seine Prominententeams gestellt. Zur Hauptsendezeit im öffentlich-rechtlichen Sender sollten die Stars aus Musik, Sport, Film und anderen Sparten der Showbranche wissen, wie viel Praxisgebühr ein deutscher Patient denn beim Arzt lassen müsse, wenn er dreimal zum Zähneziehen zu kommen habe. Im März, im Mai und im Juni. Die Prominenten hoben hilflos die Hände, blickten sich ratlos an und gaben allerlei Ausdruck für ihre Hilflosigkeit. Jedenfalls wusste keiner die Antwort. So was kann schon mal passieren, dass niemand die Antwort weiß. Selten aber kommt es vor, dass das gesamte Publikum exakt weiß, wie viel drei gezogene Zähne verteilt auf zwei Quartale kosten: 20 Euro Praxisgebühr. Sehr selten ist es, dass ein Publikum im Ratestudio sich empört über die Unwissenheit der Prominenten. Genauso geschah es. Ungläubiges Gelächter, Aahs und Oohs schwirrten durch das Studio.

Die alte These von der Zwei-Drittel-Gesellschaft, der sich die deutsche Realität immer mehr annähere, muss offenbar umgeschrieben werden. Es scheint eine Ein-Drittel-Gesellschaft zu geben. Das oberste Drittel nämlich kriegt nichts mit von jenen Alltagsbelastungen, über die das ganze Land streitet, auch heute beim SPD-Parteitag in Berlin. Praxisgebühr zehn Euro – ach ja? Gibt’s das? Na und? So sieht es das Topdrittel. Für diese Besserbemittelten ist das verständlich. Was sind schon zehn Euro. Die sind viel – nur für die anderen.

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