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Politik: Recht braucht Macht

Wie der Kirchentag über die künftige Weltordnung diskutiert

Beinahe wäre das Thema beim Ökumenischen Kirchentag vergessen worden. Dabei hatten die beiden großen Kirchen doch zu den erklärten Gegnern des Irak-Krieges gehört. In letzter Minute wurde dann doch noch eine Diskussion über die künftige Rechtsordnung nach dem Krieg ins Programm aufgenommen. Wie soll die künftige Weltordnung aussehen? Wie kann man Konflikte künftig vermeiden? Und: Wer hat in der Welt von morgen das Sagen?

Für den US-amerikanischen Publizisten Don Jordan waren die Antworten auf diese Fragen verhältnismäßig klar. Die Ereignisse der vergangenen Wochen hätten gezeigt, dass eine neue Weltordnung nötig sei. „Die Welt hat geschlafen, die UN haben nichts getan“, sagte Jordan unter Verweis auf die Menschenrechtsverletzungen durch das Regime Saddam Husseins. Da bleibe den Amerikanern kaum etwas übrig, als selbst die Rolle des Weltpolizisten zu übernehmen.

Dagegen forderte der Unions-Fraktionsvize Wolfgang Schäuble Amerikaner und Europäer auf, die Rolle des Weltpolizisten miteinander zu teilen. Der CDU-Politiker warnte die USA eindringlich vor weiteren Alleingängen. Diese wären „kein Segen, sondern ein Fluch“, sagte er. „Amerika würde den Hass der ganzen Welt auf sich ziehen.“ Aber auch die Europäer müssten Verantwortung übernehmen. Bremens Erster Bürgermeister Henning Scherf appellierte an Washington, nicht einfach nur das Machtmonopol hochzuhalten, sondern mit anderen Staaten den Konsens zu suchen.

Die Schweizer Menschenrechtsexpertin und frühere Nationalratspräsidentin Gret Haller betonte, das Völkerrecht beruhe darauf, möglichst alle Staaten einzubinden: „Das Völkerrecht unterscheidet nicht zwischen guten und bösen Staaten, sonst setzt es sich selbst außer Kraft.“ Doch wer entscheidet, wer gut und wer böse ist? Wer legt die Kriterien fest? An diesen Fragen zeigte sich erneut die Kluft zwischen Amerikanern und Europäern: „Jeder weiß doch, was gut und was böse ist“, sagte Jordan – und berief sich auf die gemeinsamen Werte der (überwiegend christlichen) westlichen Welt. Wer das nicht wisse, dürfe gar nicht erst eine wichtige Position innehaben. Die deutschen Teilnehmer waren sich da nicht so sicher. Ist Saudi-Arabien noch ein guter und Syrien schon ein böser Staat, oder umgekehrt? Schäuble warnte die USA davor, allein entscheiden zu wollen, wer gut und wer böse ist. „Macht darf nicht das Recht ersetzen“, betonte er. Auf der anderen Seite wies er darauf hin, dass das Völkerrecht auch durchgesetzt werden muss: „Recht ohne Macht nützt uns auch nicht viel.“ Schäuble sprach sich für eine Ergänzung der UN-Charta aus: Wenn eine Regierung im eigenen Land das Recht mit Füßen trete, sei das auch eine Gefahr für den Weltfrieden.

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