zum Hauptinhalt

Politik: Rechtsextremismus: Ein Mord schockiert Norwegen

Auch Norwegen muss sich von der Vorstellung verabschieden, dass Gewaltbereitschaft von Rassisten und Neonazis ein Problem der anderen ist. Die Polizei in Oslo zweifelte am Montag nicht mehr daran, dass der 15-jährige Benjamin Labaran Hermansen am Wochenende auf dem verlassenen Parkplatz eines Einkaufszentrums ausschließlich seiner dunklen Hautfarbe wegen erstochen wurde.

Auch Norwegen muss sich von der Vorstellung verabschieden, dass Gewaltbereitschaft von Rassisten und Neonazis ein Problem der anderen ist. Die Polizei in Oslo zweifelte am Montag nicht mehr daran, dass der 15-jährige Benjamin Labaran Hermansen am Wochenende auf dem verlassenen Parkplatz eines Einkaufszentrums ausschließlich seiner dunklen Hautfarbe wegen erstochen wurde. Drei als Tatverdächtige festgenommene Männer im Alter von 21 und 20 Jahren sowie zwei 17 Jahre alte Mädchen gehören der rechtsextremistischen Gruppe "Boot Boys" an.

Benjamin Hermansen, Sohn eines afrikanischen Vaters und einer norwegischen Mutter, hatte im sonst eher als liberal und friedlich geltenden Skandinavien schon früher Bekanntschaft mit Rassismus und Fremdenhass machen müssen. Im Sommer hatte er mit seinem Fußballklub "Gutter 85" an einem Jugendturnier im benachbarten Dänemark teilgenommen und war mit ebenfalls farbigen Freunden aus einer Discothek verjagt worden. Benjamin wagte es als Einziger, die Episode vor einer TV-Kamera zu kommentieren.

In der Nacht zum Samstag wurde er das erste Todesopfer nach einer Reihe von nicht unbedingt häufigen, aber immer brutaleren Überfällen auf Ausländer in Norwegen. Gegen drei der Tatverdächtigen läuft ein Verfahren, weil sie vor Weihnachten vergangenen Jahres eine pakistanische Frau niedergestochen und verletzt hatten. Weil sie in diesem Fall geständig waren, wurden sie auf freien Fuß gesetzt. Das wurde in Medienkommentaren als Indiz für eine nachgiebige Haltung der Osloer Behörden gegenüber den Neonazis kritisiert wurde.

Die Neonazi-Szene in Norwegen gilt mit 150 aktiven Mitgliedern im Vergleich etwa zum Nachbarland Schweden als eher klein. Dort begingen Rechtsextremisten Morde nach organisierten Waffendiebstählen in Armeedepots, ließen Bomben in Autos unliebsamer Kritiker detonieren und veröffentlichten im Internet "Todeslisten" mit Namen und Adressen potenzieller Mordopfer.

Regierung und Polizei in Oslo dagegen erklärten, man habe die vergleichsweise kleinen Gruppen im eigenen Land "recht gut unter Kontrolle". Letzteres habe auch zur schnellen Festnahme der fünf Tatverdächtigen geführt, hieß es am Montag aus dem Polizeipräsidium.

Angesichts eines ermordeten farbigen Jungen wollte großen Teilen der Öffentlichkeit und Politikern dieses Argument nicht mehr einleuchten. Kulturministerin Ellen Horn, deren Tochter Benjamin Hermansen über eine gemeinsame Freundin gekannt hatte, kündigte eine Verbotsinitiative gegen Neonazi-Gruppen an. Ministerpräsident Jens Stoltenberg sagte, der Mord in der Trabantenstadt Holmlia müsse nun alle Kräfte gegen Neonazis, Intoleranz und Rassismus wecken.

Die 1987 gegründeten "Boot Boys" werden von Szenekennern als ideologisch wenig interessierte, dabei aber um so gewaltbereitere Truppe eingestuft. Den Mord an Benjamin Labaran Hermansen kommentierte die Gruppe auf ihrer Internetseite mit den Worten: "Hipp hipp hurra. Ein Nigger weniger in Oslo."

Thomas Borchert

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false