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Politik: Rechtsextremismus: Mit grünen Grüßen - Die Ex-Pazifisten setzen auf mehr Repression (Kommentar)

Vor Jahren warb die SPD im Europa-Wahlkampf mit einem Bild, das die Hände eines Farbigen in Handschellen zeigte. Der Versuch, sich als Rechts- und Ordnungspartei zu profilieren, die auch die Ausländerkriminalität bekämpft, ging gründlich daneben.

Vor Jahren warb die SPD im Europa-Wahlkampf mit einem Bild, das die Hände eines Farbigen in Handschellen zeigte. Der Versuch, sich als Rechts- und Ordnungspartei zu profilieren, die auch die Ausländerkriminalität bekämpft, ging gründlich daneben. Umfragen ergaben: Das Plakat wurde nicht den Sozialdemokraten, sondern den Republikanern zugeordnet.

Derlei Missverständnisse brauchen die Grünen nicht zu fürchten, wenn sie die Bekämpfung von Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit auf ihre Fahnen schreiben. "Antifaschismus" gehört wie Pazifismus zur Ursuppe ihres Selbstverständnisses. Dazu zählten allerdings auch einmal Gewaltfreiheit, ein gerüttelt Maß an Misstrauen in den "bürgerlichen" Staat und ein ebensolches Zutrauen in die grundsätzliche Gutartigkeit des Menschen. Der Pazifismus ist im Kosovo-Krieg abhanden gekommen; das Misstrauen gegen die staatlichen Institutionen schwindet mit der Dauer der Regierungsbeteiligung - und das Vertrauen in die Menschen mit der unvoreingenommenen Wahrnehmung der Gesellschaft außerhalb der eigenen gut situierten Gutmenschen-Kreise.

All diese Prozesse haben zusammen zu bemerkenswerten Sätzen aus dem Munde der neuen Vorsitzenden der Grünen, Renate Künast, geführt: Wer Anschläge auf Asylbewerberheime verübe, wisse sehr wohl, was er tue; deshalb reiche es nicht mehr aus, auf Jugendarbeit zu setzen, vielmehr sei die staatliche Repression zu verstärken. Es ist wohl kaum übertrieben, dies als Wende der Grünen im Verhältnis zur inneren Sicherheit zu bezeichnen.

Die Juristin Künast hat diese Wende bereits als Berliner Landespolitikerin vorbereitet. Aber auf Bundesebene ist das noch etwas anderes. Abschreckung, die Strafe auf dem Fuße folgen lassen, und das ziemlich fühlbar - das klingt wie bei den anderen Parteien auch. Noch ein Punkt, an dem die Partei Profil verliert, indem sie an Realitätssinn zu gewinnen scheint. Doch was die Grünen-Politikerin fordert, ist in Wirklichkeit nicht mehr als ein Zeichen. Aber auch nicht weniger. Symbolische Politik hat mit den Placebos in der Medizin eines gemeinsam: Sie wirkt. Man muss nur dran glauben. In diesem Fall auch diejenigen, gegen die sie sich richtet.

Symbolische Politik gegen radikale terroristische Minderheiten wirkt vor allem abschreckend auf das Umfeld. Die Linksterroristen mussten erst ihrer Sympatisantenszene verlustig gehen, ehe sie ihr Scheitern eingestanden. Die rechten Gewalttäter können nach wie vor auf ein Ressentiment gegen Ausländer setzen, das in der Mitte der Gesellschaft zu Hause ist. Dieser klammheimlichen Freude den Boden zu entziehen - dazu kann die "Tough on Crime"-Haltung gegen die rechte Gewalt beitragen. Beitragen.

Nicht weniger. Aber eben auch nicht mehr. Gewalttäter, die - da hat Künast Recht - wissen, was sie tun, sind so kaum abzuschrecken. Sind sie überhaupt dem juristischen Kalkül der Generalprävention durch repressives Vorgehen der Staatsgewalt zugänglich? Die Wirkung kann nämlich auch umschlagen. Wenn rechte Jugendbanden zu terroristischen Vereinigungen stilisiert werden - sollten nicht gerade Grünen-Politiker mit linker Sozialisation sich gelegentlich daran erinnern, dass man durch Schießen mit Kanonen auf unangenehme, aber doch eher kleine Vögel eine Sympathisantenszene erst schaffen kann?

Und auf die Rechtspolitik im Allgemeinen gewendet: Kommen mit dem neuen Realismus nicht auch alte Illusionen über den starken Staat daher, nur diesmal in anderen Köpfen? Harte, schnelle Strafen zur Abschreckung - warum sollen sie nur gegen jugendliche Gewalttäter wirken? Warum nicht gegen potenzielle Bankräuber, Vergewaltiger, Mörder, Taschendiebe? Schon ist man in einer Argumentationsspirale, die zu immer mehr Repression führen kann. Und bei der nicht recht klar ist, ob die Grünen sich bewusst sind, wie tiefgreifend die rechtspolitische Wende sein könnte, die sie einzuleiten sich anschicken, um die Hilflosigkeit ihres Antifaschismus zu überwinden.

Thomas Kröter

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