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Ewig umstritten: Erbschaftsteuern bei Unternehmen.

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Reform der Erbschaftsteuer: Gelingt Bund und Ländern noch eine Einigung?

Der Zeitdruck wächst: Gelingt der Politik keine Lösung im Streit um Erbschaftsteuer für Unternehmen, dann könnte das Verfassungsgericht die Regeln setzen.

Wäre die Reform der Erbschaftsteuer eine TV-Show, dann könnte man sagen, dass die geplante Sendezeit weit überschritten ist. Weshalb das Bundesverfassungsgericht, das mit einem Urteil im Dezember 2014 die Reform gefordert hat und ein Limit bis Juni 2016 setzte, mit dem Abbruch der Übertragung droht: Ende des Monats wollen sich die Karlsruher Richter erneut mit der Thematik beschäftigen, und es könnte sein, dass dann die Reform richterlich angeordnet wird. Oder dass Teile des Gesetzes nicht mehr angewendet werden dürfen. Im Kern geht es darum, ob und wie weit Unternehmenserben von welcher Summe an von der Steuer verschont werden können, wenn sie den Betrieb unter bestimmten Vorgaben (etwa Arbeitsplatzerhalt) für eine bestimmte Zeit weiterführen. Karlsruhe verlangte, dass bei besonders großen Erbschaften oder Schenkungen eine Bedürfnisprüfung erfolgen müsse, wenn eine Verschonung beantragt werde.
Eigentlich hatte sich die Koalition nach mühsamen Verhandlungen im Februar schon geeinigt, doch dann kam ein Veto aus München – der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer und sein Finanzminister Markus Söder wollten den Kompromiss nicht akzeptieren und verlangten weitere Verbesserungen zugunsten der Millionenerben. Das Ergebnis war ein Gesetzentwurf, der dann im Juli im Bundesrat keine Mehrheit bekam, weil Länder, in denen SPD und Grünen regieren, ihn nicht für verfassungsfest halten.

Vermittlungsausschuss sucht Lösung

Am Donnerstagabend kam daher der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat zusammen, um einen Kompromiss auszuloten. Doch scheinen die Vorbereitungsgespräche wenig ergiebig gewesen zu sein. Mehr als das Einsetzen einer Arbeitsgruppe kam zunächst nicht heraus. Sie soll nun zügig einen Weg suchen, noch vor der Karlsruher Sitzung zu einem Ergebnis zu kommen. Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) sieht das Problem vor allem in München: „Alles liegt daran, ob sich die CSU weiter einmauert oder nicht.“ Offenkundig will Seehofer am Sonntag bei seinem Treffen mit CDU-Chefin Angela Merkel und dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel das Thema ansprechen – zum wiederholten Mal. Aus Sicht von Walter-Borjans haben die Ergänzungen, die auf Druck der CSU schon eingefügt worden waren, unvorhergesehene Folgen gehabt. Übersehen wurde demnach, dass die Verschonung selbst dann in Anspruch genommen werden kann, wenn die Unternehmen fast alle Gewinne ausschütten oder die Beschäftigtenzahl auf null reduzieren. Zudem könne Privatvermögen „im Kleid einer Firma“ vor der Steuer geschützt werden. All das war jedoch nicht beabsichtigt – jedenfalls nicht von der CDU, der SPD und den Grünen. Im Düsseldorfer Finanzministerium wurden zudem drei Dutzend alte Erbschaftsfälle nach der Regelung neu berechnet – mit dem Ergebnis, dass die Bemessungsgrundlage 20 Prozent geringer war als zuvor.

SPD-Minister: Vorlage nicht verfassungsfest

Walter-Borjans ist verärgert. Die CSU wolle sich als Beschützerin des deutschen Mittelstandes darstellen, während alle anderen ihm das Leben schwer machten. „Das ist mit uns nicht zu machen“, sagte der SPD-Politiker. Der jetzt vorliegende Entwurf sei nicht verfassungsfest und das Ergebnis des Einflusses einer Lobby, welche die Erbschaftsteuer auf Null reduzieren wolle. Söder hatte schon vor der Sitzung des Vermittlungsausschusses gesagt, Bayern werde sich nicht bewegen. Will die Politik dem Gericht zuvorkommen, muss aber eine Entscheidung in den kommenden zwei Wochen fallen. Die Industrie erwartet eine zügige Lösung – und zwar durch ein Einlenken der Länder. Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Industrie, Markus Kerber, forderte die Bundesratsseite auf, das Ergebnis im Bundestag zu akzeptieren. „Unsere Familienunternehmen brauchen rasche Rechtssicherheit“, sagte er.

Schenkungen an Minderjährige

Offenbar haben manche Unternehmer aber schon gehandelt. Aus Furcht vor weniger großzügigen Steuerbegünstigungen haben nach einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zahlreiche Familienunternehmer Anteile am Unternehmen im Rahmen einer Schenkung sogar an Minderjährige übertragen. Von den 144 Milliarden Euro an steuerfreien Firmenübertragungen in der Zeit zwischen 2011 und 2014, für die Altersangaben vorliegen, seien 37 Milliarden Euro an Minderjährige gegangen, teilte das Institut mit. 29,4 Milliarden Euro davon hätten 90 Kinder im Alter von unter 14 Jahren erhalten, denen jeweils Vermögen von mindestens 20 Millionen Euro übertragen worden sei – im Schnitt also 327 Millionen Euro. In den vergangenen Jahren habe es hohe „Vorzieheffekte“ bei Unternehmensübertragungen gegeben, schreibt das DIW weiter. 2012 seien steuerfreie Übertragungen von Firmenvermögen auf 40 Milliarden Euro gestiegen, 2014 auf 66 Milliarden. 2015 seien es 57 Milliarden gewesen. Davon sei der Großteil auf Schenkungen entfallen. (mit dpa)

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