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Streit über Laufzeiten: Regierung verweigert Auskunft über Atomgutachten

Die Regierung lehnt es ab, dem Parlament aktuelle rechtliche Stellungnahmen zur Verfassungsmäßigkeit von Akw-Laufzeitverlängerungen zur Verfügung zu stellen. Sie beruft sich dabei auf ein Geheimhaltungsrecht.

Berlin - Die Bundesregierung will ihre verfassungsrechtliche Begründung für die Nichtbeteiligung des Bundesrats an der Entscheidung über eine Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke nicht offen legen. Sie beruft sich auf das Geheimhaltungsrecht über Vorgänge im „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“. Eine „Pflicht der Regierung zur Information des Parlaments besteht insoweit nicht“, heißt es in der Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs im Innenministerium, Ole Schröder, auf eine schriftliche Anfrage von Bärbel Höhn (Grüne), die dem Tagesspiegel vorliegt.

Die grüne Fraktionsvize wollte wissen, mit welchen Argumenten das Innen- und das Justizministerium die Auffassung, dass der Bundesrat bei einem entsprechenden Gesetz nicht zustimmungspflichtig sei. In der Nachtsitzung am 5. September 2010 im Kanzleramt haben Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) nach Angaben von Teilnehmern mündlich vorgetragen, dass sie bei der geplanten Laufzeitverlängerung von acht Jahren für alte Atomkraftwerke und 14 Jahren für jüngere Meiler keine verfassungsrechtlichen Bedenken hätten. Schröder wies in seiner Antwort auf Höhns Frage darauf hin, dass „bei den Beratungen auch kein Wortprotokoll geführt“ worden sei. Zudem schreibt er, dass sich die beiden Ministerien nicht auf ein abgestimmtes Gutachten geeinigt haben. Auf die entsprechende Frage schreibt er: „Nein.“

Höhn hat dafür kein Verständnis: „Erst ein Geheimvertrag mit den Atomkonzernen, dann unter Verschluss gehaltene Rechtsgutachten. Die Bundesregierung betreibt ihre Atompolitik wie eine geheime Staatssache.“ Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) verlangt vom Justizministerium dazu nun Akteneinsicht. Namhafte Verfassungsrechtler, unter ihnen der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier gehen davon aus, dass der Bundesrat einer Laufzeitverlängerung zustimmen muss.

Pläne, die Atomendlager in Gorleben und Schacht Konrad bei Salzgitter einem privaten oder bundeseigenen Unternehmen zu übertragen, hat die Regierung im Laufe des Mittwochs vorläufig aufgegeben. Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte aus dem Entwurf der Atomgesetznovelle berichtet, dass die Möglichkeit, Dritte mit dem Betrieb zu betrauen, einschließlich aller hoheitlichen Rechte, nicht mehr dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), sondern dem Bundesumweltministerium übertragen werden sollte. Seit dem Regierungswechsel gab es mehrere Versuche, den Präsidenten des BfS, Wolfram König, zu entmachten. Das Ministerium hat damit argumentiert, dass das BfS die Endlager gleichzeitig betreibe und deren Fachaufsicht führe. Allerdings liegt die Atomaufsicht auch über die Endlager beim Umweltministerium. Am Nachmittag sagte Regierungssprecher Steffen Seibert, die Pläne seien vom Tisch. Die Obfrau der SPD im Gorleben-Untersuchungsausschuss, Ute Vogt, sagte dem Tagesspiegel dazu: „Das Misstrauen der Menschen gegen Merkels Atomlobby-Politik bleibt.“

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