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Mikrofone für den Minister: Wolfgang Schäuble verteidigte die Euro-Rettung – und verwies darauf, wie gut Deutschland die Finanzkrise überstanden habe.

© REUTERS

Regierung vor Gericht: Karlsruhe verhandelt über die Euro-Rettung

Die Gegner der Euro-Hilfen wollen mit ihrer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht verhindern, dass aus der EU eine Transfergemeinschaft wird.

Gemessen an ihrer Behauptung, Europa versinke unrettbar in der Krise, sind die Kläger gegen Griechenlandhilfen und Euro-Rettungsschirm am Dienstag vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe erstaunlich gelöst aufgetreten. Ein Grüppchen ergrauter Herren um den Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider und den Ökonomen Joachim Starbatty, daneben der CSU-Politiker Peter Gauweiler. Man grüßte und herzte sich in der Riege, Wange an Wange, lächelte für die Kameras und genoss erkennbar die sich selbst zugeschriebene Rolle, als letzte Aufrechte im Namen von Demokratie und Bürgerwillen gegen den Euro-Wahn der Herrschenden zu streiten. Da fiel auch niemand Wolfgang Schäuble auf, der von rechts herangerollt kam und den Herren fast über die Füße fahren musste, ehe sie ihn bemerkten.

Das Bild war symbolhaft, die Männer stehen dem Finanzminister im Weg; ihm, der wenig später eine neue europäische Solidarität einfordern wird, die die Kläger so vehement ablehnen. Wer da wem zu weichen hat, scheint für Schäuble keine Frage. Mit einiger Ungeduld ergriff er die gereichten Hände, bis die Bahn zwischen den Tischreihen wieder frei war. Kommen wir rasch zur Sache, es gibt Wichtigeres, so die Botschaft.

Auch der Vorsitzende Richter des Zweiten Senats, Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle, forderte mehrmals, aus der Karlsruher Verhandlung kein weltökonomisches Seminar zu machen. Es gehe nur darum, welche Vorgaben das Grundgesetz für die Übernahme der Kreditgewährleistungen mache, ob Regierung und Parlament sie beachtet hätten, als sie im Mai 2010 Griechenlandhilfe und vorläufigem Euro-Rettungsschirm zustimmten. Und nicht zuletzt darum, ob „einfache“ Bürger wie Gauweiler und Schachtschneider solche Vorgaben per Verfassungsbeschwerde durchsetzen könnten.

Die Kläger meinen, mit dem Eigentumsgrundrecht und den verfassungsrechtlichen Wahlgrundsätzen in Zusammenklang mit dem Demokratieprinzip eine Handhabe gefunden zu haben, um die Sache vor das deutsche Verfassungsgericht zu bringen, obwohl es sich im Kern um Rechtsakte der EU handelt, die an sich der Europäische Gerichtshof zu prüfen hätte. Zudem steht in den EU-Verträgen ein Haftungsverbot für verschuldete Mitgliedsstaaten. Sie hoffen auf ein ähnliches Urteil wie zum Lissabon-Vertrag, das nach der europäischen Integration jetzt einer schleichenden Änderung der Währungsunion zu einer Transfergemeinschaft Grenzen setzen soll.

Hohe Ziele. Ob man sie erreicht wie Karl Albrecht Schachtschneider? Der Jurist forderte „Recht gegen die Euro-Rettungspolitik“, was in einem bemerkenswerten Satz gipfelte, der in Karlsruhe wohl noch nie zu hören war: „Was ökonomisch falsch ist, kann rechtlich nicht richtig sein.“ Schachtschneider geißelte die „Schuldenunion“ und die Notstandsrhetorik der Regierung, berief sich auf die „Verfassung, die mit uns geboren ist“. Zuviel Gewölk für die um Sachlichkeit bemühten Richter, die gerade das nicht sein wollen: ein Forum, um politischen Dampf abzulassen. Kaum feinfühliger zeigte sich Gauweilers Prozessvertreter Dietrich Murswieck, der die Kritik am deutschen „Notstandsregime“ vor den einiges gewohnten Richtern ernsthaft mit den Worten einführte: „Ich weiß nicht, ob Ihnen je eine spannendere Frage gestellt worden ist.“

Schäuble wusste, dass er mit seinem Erscheinen die Kläger adeln würde, er tat es wohl auch im Wissen, dass die Griechenlandkrise als Anfang vom Ende des Euro ausgerufen wurde. Da hielt er gegen. Er sprach er davon, „unser System“ sei auf solche Vorfälle „nicht vorbereitet“, von den im Sekundentakt informierten Finanzmärkten mit ihrem „Herdenverhalten“ und der Angst vor einem Euro-Pleitestaat als Präzedenzfall. Aber auch davon, dass die Währungsunion eine Erfolgsgeschichte sei und wie gut Deutschland die Finanzkrise 2008 weggesteckt habe, dank des starken gemeinsamen Geldes.

Einen Rechtsbruch konnte schließlich auch der CDU-Abgeordnete und Vorsitzende des Rechtsausschusses Siegfried Kauder nicht erkennen, der mit einem guten Dutzend Parlamentskollegen für den Bundestag kam und, anders als die Kläger es vortrugen, sich von der Regierung keineswegs genötigt sah. Man habe aus freien Stücken zugestimmt, in der Überzeugung, das Richtige zu tun. Bundestags-Prozessvertreter Franz Mayer wollte, dass die Beschwerden als unzulässig abgewiesen würden, denn ein abstraktes „Recht auf Demokratie“, das die Kläger da einforderten, gebe es nicht. Das EU-Recht verbiete auch Solidarität nicht. „Man muss nicht helfen. Aber man darf.“

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