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Politik: Reich werden hinter Gittern

Für einige Kriegsverbrecher aus Jugoslawien ist die U-Haft in Holland ein gutes Geschäft - sie profitieren sogar von der amerikanischen Balkanhilfe

Irgendwas müssen Ratko Mladic, Armeechef der bosnischen Serben, und Radovan Karadzic, Ex-Präsident der Republika Srpska, falsch verstanden haben. Beide werden von der Chefanklägerin des Jugoslawien-Tribunals, Carla del Ponte, von der Nato und inzwischen angeblich sogar von den serbischen Behörden als Kriegsverbrecher und Verantwortliche des Massakers von Srebrenica 1995 gesucht – und sie wollen sich einfach nicht stellen. Sie ziehen das harte Leben im Untergrund einem bequemen Aufenthalt im niederländischen Badeort Scheveningen vor. Dabei könnten sie sich im dortigen Untersuchungsgefängnis des Den Haager Jugoslawien-Tribunals noch weiter bereichern, als ihnen das bisher schon gelungen ist.

Seit Ende Mai können sich alle vom Tribunal Gesuchten ein Stipendium der Regierung von Serbien-Montenegro auszahlen lassen. Die gibt jedem, der sich freiwillig stellt, 200 Euro pro Monat in der U-Haft und 7600 Euro pro Jahr an Reisekosten für die engste Familie. Da soll noch einer sagen, Serbien-Montenegro tue nichts, um mutmaßliche Kriegsverbrecher vor Gericht zu bringen. Nebenbei schlägt Belgrad dabei auch Washington ein Schnippchen, denn die USA haben mehr als einmal Kredite und Wirtschaftshilfen von der Auslieferung flüchtiger Verdächtiger abhängig gemacht. Und es wurde ausgeliefert – ein hochrangiger Ex-Geheimdienstler nach dem anderen. Nun kann das Geld fließen. Ein Teil der amerikanischen Hilfsgelder kommt dabei auf dem Umweg über Stipendien den mutmaßlichen Kriegsverbrechern selbst zugute.

Natürlich hat Belgrad darauf geachtet, mit den 200 Euro monatlich nicht die Grenze zu überschreiten, ab der Angeklagte für ihre Verteidigung selbst aufkommen müssen. Denn dann entginge ihnen ja eine weitere Chance, sich hinter Gittern zu bereichern. Da die Stundensätze des Tribunals für Pflichtverteidiger weit über denen für Belgrader Anwälte liegen, muss ein Angeklagter nur einen Deal mit seinem Anwalt machen: Dafür, dass dieser den Zuschlag erhält, gibt er einen Teil seines Honorars an die Familie des Angeklagten ab. Fee-Splitting heißt diese Provision in der Sprache der Tribunal-Insider.

Sowas kommt nur ans Licht, wenn man es übertreibt – wie der serbisch-bosnische Taxifahrer Zoran Zigic, der in erster Instanz zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt wurde, weil er von Zeit zu Zeit, statt Taxi zu fahren, in einem Gefangenenlager bosnische Muslime gefoltert hat. In Den Haag leistete sich Zigic zu verschiedenen Zeiten bis zu zehn Anwälte und Ermittler, von denen viele – so stellte das Tribunal fest – weder verteidigten, noch ermittelten, dafür aber kassierten. Zigic wurde in der Haft zum Besitzer von Wohnungen und Mittelklassewagen. Und er hatte ständig Besuch von seiner Familie. Aufgedeckt wurde der Skandal erst, als herauskam, dass Zigic in der Gefängniskantine 33 000 Euro verfrühstückt hatte. Dabei gibt es dort nach Angaben des Tribunals nur Seife und Grundnahrungsmittel. Zigics gesamte Verteidigung hat das Tribunal in vier Jahren 1,4 Millionen Dollar gekostet. Klar, dass der mörderische Taxifahrer und seine Anwälte bis in die letzte Instanz gehen. Je länger der Prozess in Den Haag dauert, desto mehr Honorare, Fee-Splitting und Stipendien laufen auf.

Selbst wenn am Ende eine Gefängnisstrafe wartet, ist mancher Angeklagte fein raus. So darf Biljana Plavsic, die sich selbst stellte, schuldig bekannte und zu elf Jahren Gefängnis verurteilt wurde, ihre Strafe in Schweden abbüßen, wo es möglich ist, schwedische Gardinen in Hausarrest umzuwandeln. Wenn sich das in Serbien und Bosnien herumspricht, wird in Zukunft mancher Kriegsverbrecher seinen Lebensabend in einem Häuschen in den Schären verbringen und dort das Vermögen aufbrauchen, das er sich während seiner U-Haft durch Fee-Splitting und Stipendien zusammengespart hat.

Die Opfer der Vertreibungen, Morde und Folterungen von Menschen wie Plavsic und Zigic leben hingegen – so sie überhaupt überlebt haben – von ärmlichen Renten in Bosnien, geplagt von den psychischen und physischen Folgen der Misshandlung. Keine Regierung, kein Tribunal ist je auf die Idee gekommen, ihnen einen Flug nach Den Haag zu bezahlen, von Stipendien ganz zu schweigen. Kein Wunder, dass die Opferverbände am heftigsten dagegen protestiert haben, dass die Regierung von Serbien-Montenegro Steuergelder dazu verwendet, mutmaßliche Kriegsverbrecher zu unterstützen. Die Steuergelder kommen schließlich auch zum Teil von denen, die unter den Verbrechen der Angeklagten zu leiden hatten.

Klaus Bachmann[Den Haag]

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