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Alte Armeezelte dienen als Notunterkünfte für die Flüchtlinge in der libanesischen Bekaa-Ebene.

© Reuters

Unwetter im Norden Libanons: Rekordwinter in Nahost gefährdet syrische Flüchtlinge

Ein Unwetter aus Schnee, Dauerregen und Winterstürmen hat mehrere Länder des Nahen Ostens eingeholt. Um den Betroffenen helfen zu können, brauchen die Hilfsorganisationen geschätzte 1,5 Milliarden Dollar. Davon ist weniger als ein Drittel zusammengekommen.

Das alte Armeezelt steht mitten im Schnee, auf dem weiß-gefrorenen Boden liegt schlafend ein Kind, unter sich ein dünne, blaue Decke, notdürftig zugedeckt mit einem kleinen Teppich, eine Pudelmütze über den Kopf gezogen. Aufgenommen wurde das Foto in der libanesischen Bekaa-Ebene. Auch hier haben zehntausende Syrer Zuflucht vor den Massakern in ihrer Heimat gesucht, die meisten von ihnen Frauen und Kinder. Seit Tagen fegen klirrende Winterstürme durch die Region, in vielen Teilen des Libanon traten Flüsse über die Ufer. „Die Flut kam mitten in der Nacht, plötzlich stand alles unter Wasser und wurde weggeschwemmt. Wir hatten ein paar Matratzen mitgebracht – alles weg”, berichtete ein Betroffener dem Sender Al Jazeera. „Es ist ein Alptraum.“

Schnee, Regen und Fluten – der Nahe Osten erlebte diese Woche die schlimmsten Unwetter seit mehr als einem Jahrzehnt. Betroffen sind nicht nur Syrien, sondern auch sämtliche Nachbarländer Libanon, Jordanien, Irak und Türkei, wohin sich mittlerweile mehr als eine Million Menschen in Sicherheit gebracht haben. „Die Lage ist absolut unerträglich geworden, nicht einmal Tiere müssen so leben“, klagen die Betroffenen gegenüber lokalen Journalisten. Allein im Libanon sind seit Anfang des Jahres 13.000 neue Flüchtlinge hinzugekommen, in Jordanien waren es 10.000 – eine weitere Eskalation in diesem bisher größten Flüchtlingsdrama in der Geschichte des Nahen und Mittleren Ostens. Zusätzlich irren 2,5 Millionen Syrer in ihrer zerstörten Heimat herum und versuchen in Höhlen und Kellern dem Morden zu entkommen. Hunderttausende hungern. Es fehlt an Mehl, Kochgas und Benzin, vor den Bäckereien bilden sich lange Schlangen. Internationale Nahrungsmittellieferungen des Welternährungsprogramms (WFP) werden im Hafen von Tartous festgehalten. Der Syrische Rote Halbmond als Partner vor Ort ist vom Ausmaß der Not inzwischen völlig überwältigt. Viele Helfer fürchten um ihr Leben, höchstens noch die Hälfte aller Notleidenden in den Kampfzonen können mit Essen versorgt werden.

Im jordanischen Flüchtlingslager Zaatari haben Sturm und Dauerregen das gesamte Gelände in ein einziges Schlammloch verwandelt, viele der 4500 Zelte sind unbewohnbar geworden oder zusammengebrochen. Kinder in Plastiksandalen waten durch die eiskalte Pfützen. Rund um die Uhr versuchen Helfer, darunter auch Mitarbeiter des deutschen Technischen Hilfswerkes, das Wasser abzupumpen. Die nächsten 72 Stunden seien entscheidend, erklärte Dominique Hyde, Unicef-Vertreterin in Jordanien. Die voll gesogenen Matratzen sollen ersetzt, Familien mit Kleinstkindern in die wenigen kürzlich aufgestellten Wohncontainer umgesiedelt werden, die sich ein wenig beheizen lassen.

Doch in allen Aufnahmeländern der Region haben die internationalen und nationalen Helfer kaum noch etwas zuzusetzen. „Sämtliche Spendengelder von 2012 sind restlos aufgebraucht“, sagt Dominique Hyde von Unicef. Bereits kurz vor Weihnachten wandten sich die Vereinten Nationen mit einem dramatischen Appell „an alle Regierungen, Firmen und Privatleute“ des Globus. Die benötigten Gelder bezifferte die Zentrale in New York auf 1,5 Milliarden Dollar, von denen bisher weniger als ein Drittel eingezahlt worden seien. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon wandte sich darum am Freitag erneut mit eindringlichen Worten an die Weltöffentlichkeit: „Wir brauchen jetzt jede helfende Hand für diese hilflosen Menschen.“

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