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Politik: Rentensteuer: Eichels "große Nummer" ist geplatzt

Eichel wollte "die große Nummer", heißt es in der SPD-Fraktion, die den Vorstoß des Finanzministers als "Hau-Ruck-Aktion" empfunden hat. Aber davon sei nie die Rede gewesen.

Eichel wollte "die große Nummer", heißt es in der SPD-Fraktion, die den Vorstoß des Finanzministers als "Hau-Ruck-Aktion" empfunden hat. Aber davon sei nie die Rede gewesen. Im Finanzministerium wiederum ist von einem "gravierenden strategischen Fehler" die Rede. Verwirrung um die Rente. Bei der "nachgelagerten Besteuerung" sind die Sozialdemokraten untereinander ins Gehege gekommen: Fraktion versus Finanzminister. Der Kanzler hat Hans Eichel zurückgepfiffen und der Fraktion den Rücken gestärkt.

Der Einstieg in die nachgelagerte Besteuerung ist ein zentraler Teil der anstehenden Reform. Er berührt das Herzstück der Reform, nämlich den Aufbau einer zweiten Säule der Alterssicherung neben der gesetzlichen Rentenkasse: die private Vorsorge. Während die gesetzliche Rente über einen langen Zeitraum abgesenkt wird, um einen unkontrollierbaren Anstieg der Rentenbeiträge abzufangen, wird die private Vorsorge schrittweise aufgebaut. Das Rentenniveau aus der gesetzlichen Vorsorge wird in diesem Prozess bis zum Jahre 2030 auf etwa 64 Prozent (heute 70 Prozent) des Arbeitseinkommens sinken. Doch zusammen mit den Rentenleistungen aus der privaten Vorsorge wird auch der Rentner des Jahres 2030 etwa 70 Prozent seines Arbeitseinkommens als Altersgeld beziehen können.

Diese Veränderung der Rentensystematik wird auf zwei Schultern gelegt: Erstens muss jeder Bürger seine private Vorsorge zusätzlich und allein tragen - ohne den hälftigen Arbeitgeberanteil. Dabei wird zweitens der Staat helfen, in dem er die private Vorsorge steuerlich entlastet. Besteuert wird eben "nachgelagert", also dann, wenn der Bürger im Alter die Früchte seiner Vorsorgeleistungen erntet. Bei diesem Einstieg, so das Arbeitsministerium und Experten der SPD-Fraktion, wird es bleiben. Mehr wird Arbeitsminister Walter Riester nicht vorschlagen, wenn es am kommenden Dienstag seinen Gesetzenwurf vorstellt. Das hat der Bundeskanzler auf einen Hilferuf der SPD-Fraktion Anfang dieser Woche seinem Finanzminister Hans Eichel unmissverständlich gemacht.

Eichel hatte Anfang der Woche in kleinem Kreis vorgetragen, die Rentenreform solle einen großen Schritt weiter gehen. Nicht nur Einstieg in die nachgelagerte Besteuerung der privaten Vorsorge, sondern die Regelung der gesamten Rentenbesteuerung im Vorgriff auf ein wichtiges Urteil aus Karlsruhe. Weil die Beamtenpensionen steuerlich voll belastet werden, die Renten jedoch nur zu einem Viertel, dem "Ertragsteil", ist dort eine Klage anhängig. Der Richterspruch wird im Jahr 2001 kommen und hängt wie ein schwarzer Schatten über der Rentenreform, die zum 1. Januar 2001 in Kraft treten soll. Eichel erwartet, dass die Verfassungsrichter die nachgelagerte Besteuerung der Renten verlangen werden. Der Grundsatz, die Beiträge steuerfrei zu stellen, dafür "nachgelagert" die Rente zu belasten, erstreckte sich dann nicht nur auf die private Vorsorge, sondern auch auf die gesetzliche Rente. Die Bundesregierung müsste nachbessern, im Vorwahljahr und mit einer Botschaft, die nicht angenehm ist. Das Rentenniveau läge doch niedriger, als jetzt in Aussicht gestellt wird.

In Eichels Ministerium findet man es klüger, diese Operation jetzt zu vollziehen und fragt sich, "warum Riester die Prügel zweimal beziehen will." Im Arbeitsministerium hält man dagegen für offen, was die Karlsruher Richter sagen werden. Und Gerhard Schröder möchte überhaupt keine Prügel beziehen. Die Rentenreform verkündet mit dem kleinen Einstieg in die nachgelagerte Besteuerung den Bürgern die gute Botschaft, dass der Staat bei der privaten Vorsorge hilft. Im nächsten Jahr spricht das Verfassungsgericht, nicht der Bundeskanzler oder sein Arbeitsminister. Welche und vor allem wann Gerhard Schröders Regierung daraus Schlüsse zieht? Eine nachgelagerte Frage.

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